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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 15 / Politisches Buch
Antikoloniale Debatte

Stimme der Befreiung

Die Zeitschrift ROAPE feiert ihr 50. Jubiläum mit neuem Konzept und zwei Sonderbänden
Von Jörg Tiedjen
NIGERIA-PROTESTS.JPG
Kontinent in Bewegung: Teilnehmer einer Protestkundgebung gegen die nigerianische Regierung (Lagos, 5.8.2024)

Ein halbes Jahrhundert lang gibt es sie, die Review of African Political Economy (deutsch sinngemäß »Zeitschrift für afrikanische politische Ökonomie«). Als sie 1974 gegründet wurde – beteiligt waren zunächst vor allem kritische Intellektuelle aus den ehemaligen britischen Kolonien in Afrika –, erlebte der Kontinent gerade eine »zweite Befreiung«. Marxistisch inspirierte Unabhängigkeitsbewegungen insbesondere in den portugiesischen Kolonien weckten die Hoffnung, dass es möglich sei, sich vom (Neo-)Kolonialismus zu befreien, der die zuvor zumeist durch von oben initiierte und kontrollierte Prozesse unabhängig gewordenen Länder im Griff hielt. Anfangs wurde die Zeitschrift noch RAPE (»Vergewaltigung«, »Plünderung«) abgekürzt, später wurde das neutralisierende »O« eingefügt, so dass sie heute unter ihrer Abkürzung ROAPE bekannt ist.

Anlässlich seines Jubiläums hat das englischsprachige Magazin nicht nur zwei Sammlungen ausgewählter Beiträge herausgebracht, die in ROAPE und seit 2014 auf der dazugehörigen Internetseite erschienen sind. Wie die Herausgeber in der ersten Ausgabe der Quartalsschrift in diesem Jahr ankündigten, haben sie auch einmal mehr das Konzept geändert. Zuletzt wurde die Zeitschrift als wissenschaftliche Publikation vom britischen Verlag Taylor and Francis vertrieben. Viele Artikel waren nicht frei zugänglich. Doch ab sofort sind alle Bezahlschranken aufgehoben, es gilt »Open Access«, wobei die Herausgeber weiter auf Abonnenten und Spenden setzen.

Eine der beiden Sonderveröffentlichungen von ROAPE ist der Band »Voices for African Liberation«. Die Anthologie von Interviews aus der vergangenen Dekade versammelt Stimmen wie die von Samir Amin, dem 2018 verstorbenen ägyptischen marxistischen Ökonomen, und weiteren Autoren, die die Zeitschrift geprägt haben. Amin ist nicht der einzige in diesem Band, der im Neoliberalismus eine Rückkehr zur »ursprünglichen Akkumulation« erkennt, während die Politik der jungen unabhängigen Staaten in der ersten Phase der Unabhängigkeit in Afrika darauf zielte, den Kapitalismus in seinen brutalsten Formen auf Abstand zu halten.

Dies ist auch schon vom Titel her Thema des zweiten Buchs, »Capitalism and Economic Crime in Africa. The Neoliberal Period«. Es geht um die großen Verbrechen, um Rohstoffe in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo oder Südafrika, aber auch Phänomene wie die vielfach umjubelten Mikrokredite, die in Wirklichkeit auch noch die Ärmsten in einen Teufelskreis der Verschuldung treiben, den kenianischen Antidrogenkrieg oder die Militarisierung des Tierschutzes und ihre historischen Wurzeln.

Was in der Interviewsammlung durchgängig Thema ist, das ist ROAPE selbst. Für den deutschen Namibia-Experten und -Aktivisten Reinhold Kößler war die Zeitschrift zum Beispiel eine Referenz, als er überlegte, in der Bundesrepublik ein eigenes politisches Journal zu Afrikafragen zu gründen. Nelson Mandela soll ROAPE in seiner Gefangenschaft auf Robben Island, eingenäht und hineingeschmuggelt in Kleidung, erhalten haben. Die Zeitschrift ROAPE ist ein Monument der antikolonialen Bewegung, die in jüngsten Entwicklungen zum Beispiel in Westafrika einen Widerhall zu finden scheint, und quicklebendig.

Jörg Wiegratz (Hrsg.): Capitalism and Economic Crime in Africa. The Neoliberal Period. Routledge, London und New York 2024, 550 Seiten, ca. 50 Euro

Leo Zeilig, Chinedu Chukwudinma, Ben Radley (Hrsg.): Voices for African Liberation. Conversations with the Review of African Political Economy. Ebb Books, Oxford 2024, 532 Seiten, ca. 25 Euro

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