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Aus: Ausgabe vom 13.08.2024, Seite 16 / Sport
Olympia

Die Traumzerstörer

Dänemark deklassiert den DHB im olympischen Handballfinale
Von Sören Bär
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Definition der Handballeffizienz: Dänemarks Goldmedaillenteam

Spannung kam am Sonntag beim Finale des olympischen Handballturniers im Stade Pierre-Mauroy in Lille nie auf. Nachdem die deutsche Mannschaft im Viertelfinale Gastgeber, Titelverteidiger und Europameister Frankreich in einem wahren Thriller 35:34 nach Verlängerung ausgeschaltet und im Halbfinale in einem vergleichbar spannenden Duell Spanien mit 24:23 ins Spiel um Bronze geschickt hatte, war im Endspiel der Dampf raus. Zu deutlich dominierte Dänemark – zum dritten Mal in Folge im olympischen Finale – von Beginn an das Geschehen. Der dänische Coach Nikolai Jacobsen kann aus einer scheinbar nie versiegenden Quelle von Topspielern schöpfen und bot abermals einen bewährten Mix aus Weltklasseroutiniers und hochbegabten Youngstern auf. Das ist Danish Dynamite – zum einen geballte Erfahrung mit Torwartlegende Niklas Landin (35), den Rückraumstrategen Henrik Møllgaard Jensen (39), Rasmus Lauge Schmidt (33) und Superstar Mikkel Hansen (36) sowie dem 43jährigen (!) mehrfachen Bundesligatorschützenkönig Hans Lindberg, zum anderen die Weltklassetwens Mathias Gidsel, Simon Bogetoft Pytlick, Magnus Landin und Magnus Saugstrup. Allein zehn Spieler des Starensembles sind aktuell bei Klubs in der Bundesliga aktiv und kannten ihre deutschen Opponenten in- und auswendig.

Bereits beim Rückstand von 5:10 nach zwölf Minuten schwante Alfreð Gíslason nichts Gutes. Der DHB-Trainer sah sich zu einer ersten Auszeit veranlasst – doch ohne Erfolg. Die favorisierten Dänen stellten auf 13:6 (16.) und erhöhten nach 25 Minuten gar auf 21:10. Ernüchternd. Gidsel schoss aus allen Lagen und brillierte mit elf Toren. Magnus Landin, Bruder der Torwartikone, brachte den Ball siebenmal im Kasten unter, dicht gefolgt von Pytlick, der sechsmal einschenkte. An­dreas Wolff, der noch im Halbfinale mit sagenhaften 22 Paraden die Spanier zur Verzweiflung getrieben hatte, bekam kaum einen Ball zu fassen. Auch David Späth, im Viertelfinale der Matchwinner gegen die Franzosen, konnte die Angriffswucht der Skandinavier diesmal nicht bremsen. Die Deutschen scheiterten hingegen am dänischen Abwehrbollwerk oder wurden spätestens von den Keepern Landin und Emil Nielsen gestoppt. Goalgetter Renārs Uščins fand nicht zur gewohnten Form und erzielte diesmal vier Tore. Juri Knorr avancierte mit immerhin sechs Treffern zum besten deutschen Schützen. Das DHB-Team konnte bis zur Halbzeitpause auf 12:21 verkürzen, aber das Match war entschieden. Bei 49 Prozent Ballbesitz warteten die Dänen mit einer Abschlussquote von 75 Prozent auf. Wer noch nach einer Definition für Effizienz gesucht hat – die Rot-Weißen lieferten sie.

Die Dänen erwiesen sich mit unglaublicher Qualität wie schon im Januar beim 29:26 im EM-Halbfinale als zu schwerer Brocken. Die Traumzerstörer für die deutsche Mannschaft. Im zweiten Durchgang kontrollierten sie das Spiel und ließen erwartungsgemäß nichts mehr anbrennen. Sie bauten ihren Vorsprung sogar noch aus. Für den 36jährigen Mikkel Hansen war es das letzte Spiel und die Krönung seiner glanzvollen Karriere. Auch Torhüter Niklas Landin beendet seine Nationalmannschaftslaufbahn. Auf deutscher Seite tritt Kai Häfner, Europameister von 2016, nach dem letzten seiner insgesamt 151 Länderspiele immerhin mit Olympiasilber von der internationalen Bühne ab. Kapitän Johannes Golla hielt mit seiner Enttäuschung dennoch nicht hinter dem Berg: »Wir müssen nicht darüber reden, dass die Dänen die beste Mannschaft der Welt sind. Aber wir haben es ihnen zu einfach gemacht, wir hatten keine Chance«, konstatierte er. Juri Knorr war ebenfalls fassungslos: »Es ist ein Alptraum, ich weiß nicht, wie das passieren konnte.«

1980 in Moskau gewann die DDR-Nationalmannschaft unter Trainer Paul Tiedemann in einem legendären Match sensationell mit 23:22 nach Verlängerung gegen Gastgeber Sowjetunion. Wieland Schmidt lenkte vier Sekunden vor Schluss mit einem Wahnsinnsreflex einen Wurf von Alexander Karschakewitsch an die Latte. Golla und Co. wollten es den Legenden Wieland Schmidt, Frank-Michael Wahl, Hartmut Krüger, Peter Rost, Lothar Doering und Ingolf Wiegert nachmachen. Das blieb ihnen versagt. Zur Trauer besteht nach dem verpassten Triumph jedoch kein Grund. Mit dem Gruppensieg in der Vorrunde und den dramatischen Erfolgen im Viertel- und Halbfinale haben die Deutschen weitere Fans hinzugewonnen. Renārs Uščins hat sich zum Shootingstar entwickelt, der seine EM-Leistung noch toppen konnte. Das Resümee von Bundestrainer Gíslason lautete: »Die Jungs haben ein großartiges Turnier gespielt, das ist sehr hoch einzuschätzen.« Nach dem EM-Titel 2016 und dem Gewinn der Heim-WM 2007 ist dieser zweite Platz der größte Erfolg seit längerer Zeit und lässt für die Zukunft hoffen.

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