Fremde überall II
Von Frank SchäferDas Biennale-Motto »Foreigners Everywhere« passt sehr gut zu meinem Venedig-Gefühl. Man fragt sich die ganze Zeit, wie Menschen früherer Äonen sich hier zurechtgefunden haben. Ohne Google Maps. Die Stadt ist ein Labyrinth, und die Menschen kommen einem vor wie Ratten in einem Experiment der Götter. Am besten akzeptiert man von vornherein sein Schicksal und übt sich in kalkuliertem Verlaufen. Man schaut also, wo die Peggy Guggenheim Collection beheimatet ist und geht los, korrigiert nach einer Viertelstunde und dann wieder, wieder und wieder. Wenn man nach einer Dreiviertelstunde vor den Toren steht und in die rettende Klimaanlagenkühle der Ausstellung tritt, hat man zwar schon fast sein Tagessoll an Schritten erfüllt, viele Umwege gemacht, aber auch viele malerische Kleinstbrücken gesehen, postkartentauglich morbid angeschwärzte Fassaden, eine weitere auf einer Zisterne dösende Katze – und die Frau im rotweißen Ringelshirt der Gondolieri, die sich vor vielen Jahren schon die typische, schmiedeeiserne »Kühlerfigur« der venezianischen Nachen auf den Unterarm tätowieren ließ.
Man hat den Eindruck, als gäbe es ohnehin nur Fremde hier. Scharenweise Menschen, die stöhnend ihre Rollkoffer über die Brückentreppen wuchten, weil sie Google vertraut haben, das ihnen die 1,2 Kilometer Gehweg für 19 Minuten verkauft hat, oder weil sie den unübersichtlichen Wasserbusplan nicht gleich schnallen und es erstmal auf eigene Faust versuchen wollen. Ein Fehler. Venedig ist der erklärte Feind des Rollkoffers.
Echte Venezianer scheint es kaum zu geben, kann sich vermutlich keiner mehr leisten, und so ist nach acht Uhr abends die Stadt merkwürdig leer. Na gut, nicht ganz. Die Restaurants sind selbstredend gut besucht, die Flaniermeilen und beliebten Plätze ebenso, aber zwei Gassen weiter ist alles duster, auch die Fenster in den Häusern. Als sei die Stadt bloß Kulisse und auch das Personal nur zu Besuch in der Lagune, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Fremde sind augenscheinlich auch sie, obwohl sie sich gut auskennen und genau sagen können, mit welcher Vaporettolinie man am schnellsten ins Hotel kommt.
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