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Aus: Ausgabe vom 24.08.2024, Seite 7 / Ausland
Frankreich

Macrons unlustige Kandidatenschau

Frankreich: Dekretierter Stillstand vorbei, Linke beharrt bei Gesprächen auf Castets als Premierin
Von Hansgeorg Hermann
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Marine Tondelier, Vorsitzende der Grünen, und Lucie Castets (M.), Kandidatin der Neuen Volksfront für das Amt der Premierministerin, treffen im Élysée-Palast ein (23.8.2024)

Am Freitag morgen titelte die Pariser Tageszeitung Libération froh »Ferien zu Ende«. In der Tat: 27 Tage nach der herben Niederlage seiner rechtsliberalen Parteienkoalition Ensemble (französisch: zusammen) bei den jüngsten Parlamentswahlen und der von ihm selbst exekutierten Auflösung der Nationalversammlung bequemte sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron an diesem Tag endlich, mögliche Kandidaten für das Amt des Regierungschefs in seinen Präsidentenpalast Élysée einzuladen. Die Wahlsieger – das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP, Neue Volksfront) – schlugen bereits vor drei Wochen Lucie Castets vor. Auf die parteilose Finanzchefin der Hauptstadt, bis dato völlig unbekannte Absolventin der elitären Kaderschule ENA, hatten sich die vier Parteien des Linksbündnisses – France Insoumise (LFI), Parti Socialiste (PS), Ökologen (EE-LV) und Kommunisten (PCF) – nach langem, zeitweise quälendem Hin und Her geeinigt. Ihr Problem: Macron ließ ihnen am Freitag zwar den Vortritt vor allen anderen Formationen; allein, er schielt auf eine von ihm sogenannte Koalition der Mitte.

Die vorangegangene Regierung unter seinem politischen Zögling Gabriel Attal, installiert am 9. Januar, überlebte die Launen des Staatschefs nur knapp sechs Monate. Am 7. Juli, dem Abend der Wahlniederlage, löste Macron das Parlament auf, die Demission seines Ministerpräsidenten samt Kabinett »akzeptierte« er dann eine Woche später. Ratlos zurück blieben nicht nur Attal und seine Leute – Macron hatte Parlament und Regierung kurzerhand in einsamer Entscheidung abgewickelt –, sondern die gesamte politische Szene und, nicht zu vergessen, das rund 50 Millionen Menschen zählende Wahlvolk.

Den zweiten Coup landete der Präsident nur wenig später: Statt Castets, die Kandidatin der Wahlsieger, mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen – so sieht es die Verfassung vor –, befahl der Chef für die Dauer der Olympischen Spiele in Paris, die am 26. Juli begannen und am 11. August zu Ende gingen, einen »politischen Waffenstillstand«. Attal, auf einen machtlosen Verwalter der täglichen Regierungsgeschäfte reduziert, blieb im Amt. Seither wartet das Parlament auf ein Zeichen aus dem Élysée.

Offiziell gab es keins. Unter der Hand ließ Macron allerdings Namen streuen, die in den Medien unverzüglich verbreitet und daraufhin untersucht wurden, ob sie mit den personellen Vorstellungen des Chefs und den Mehrheitsverhältnissen im Parlament kompatibel seien. Genannt wurden Xavier Bertrand, ehemals Arbeits- und Sozialminister des früheren rechtskonservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy; Élisabeth Borne, die Macron erst im Dezember geschasst und durch Attal ersetzt hatte; Bernard Cazeneuve, Ministerpräsident unter Macrons Vorgänger François Hollande; und sogar Karim Bouamrane, Bürgermeister der Pariser Banlieue Saint-Ouen-sur-Seine, der als »neuer Shootingstar« des rechten PS-Flügels mit »Präsidentenpotential« in die Medien geriet. Alles Nebelkerzen, wie die Hauptstadtpresse in den vergangenen Tagen einmütig konstatierte, abgeschossen aus dem Élysée, um das Linksbündnis zu verwirren und wo­möglich zu spalten. Obendrein Macrons kategorischer Imperativ: Er werde weder Personalien aus der extrem rechten Formation Rassemblement National – Marine Le Pens Kandidat Jordan Bardella – noch aus dem von ihm als »linksextrem« definierten NFP-Bündnispartner LFI akzeptieren.

LFI-Anführer Jean-Luc Mélenchon droht seither mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Castets, die aus ihrer Nähe zur »echten« Linken jenseits der Sozialdemokratie keinen Hehl macht, reagierte in dieser Woche in verschiedenen Zeitungs- und Rundfunkinterviews etwas gelassener: Bei einer von ihr organisierten Regierungsbildung werde selbstverständlich jeder der vier Bündnispartner berücksichtigt werden, vor allem die LFI, die stärkste Gruppe des Front Populaire. Der steht bisher einmütig zu ihr: Einen »Plan B« gebe es nicht. Das Problem: Für eine entscheidungsfähige Regierungsmehrheit fehlen Castets’ Front rund 100 Sitze in der 577 Köpfe zählenden Nationalversammlung.

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