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Aus: Ausgabe vom 24.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Britische Prüfergesellschaft PWC

Klatsche für PWC in China

Britischer Prüfkonzern hatte aufgeblasene Bilanzen von Immobilienriese Evergrande jahrelang abgenickt. Nun droht eine empfindliche Strafe
Von Jörg Kronauer
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Sechs Monate Prüfverbot und eine Millionenstrafe: Die chinesische Regierung macht Ernst mit PWC

Es ist ein herber Schlag für Pricewaterhouse Coopers (PWC): Der Londoner Konzern, eine der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt, gerät in China in die reißenden Strudel des Evergrande-Skandals. Wie die Financial Times am Mittwoch berichtete, teilte der PWC-Ableger in der Volksrepublik, PWC Zhong Tian, seinen Kunden mit, in Kürze eine heftige Strafe zu erwarten. Die Rede ist von einem sechsmonatigen Geschäftsverbot und einer Zahlung von umgerechnet 140 Millionen US-Dollar.

Das wäre ein Rekord unter den sogenannten Big Four, zu denen außer PWC noch Deloitte, EY (Ernst & Young) und KPMG gezählt werden. Deloitte hatte bereits im vergangenen Jahr in China ein dreimonatiges Geschäftsverbot sowie eine Strafzahlung von umgerechnet 31 Millionen US-Dollar kassiert. Dem Unternehmen waren ernste Unregelmäßigkeiten bei der Prüfung der Bilanzen des Finanzdienstleisters China Huarong Asset Management vorgeworfen worden. Deloitte war dabei, wie sich nun herausstellt, kein Einzelfall.

PWC trifft es jetzt, weil zu den Kunden des Unternehmens knapp 14 Jahre lang Evergrande gehört hatte. Evergrande stand lange Zeit im Zentrum der chinesischen Immobilienkrise und ist inzwischen insolvent. In den Jahren 2019 und 2020 hatte der Skandalkonzern seine Bilanzen laut Angaben der chinesischen Behörden um 78 Milliarden US-Dollar aufgeblasen. PWC hatte die grob gefälschten Bilanzen jeweils brav abgenickt.

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass die zuständigen staatlichen Stellen der Volksrepublik deshalb gegen die Wirtschaftsprüfungsfirma vorgehen würden. Kein Wunder, dass PWC längst eine ganze Reihe Kunden abgesprungen sind. Nach Angaben von Reuters hatten sich bereits Mitte Juli mehr als 30 chinesische Unternehmen von ihm abgewandt, darunter mächtige Konzerne wie etwa die staatliche China Life Insurance, Petro China – der größte Erdöl- und Erdgasproduzent des Landes – und die Bank of China, eine der größten Banken in der Volksrepublik.

Nun drohen weitere Kunden abzuspringen. PWC setzt alles daran, dies zu verhindern. Zwar darf der Konzern während der drohenden sechsmonatigen Sperre keine Bilanzen testieren und auch keine Börsengänge begleiten. Er versichert aber, davon abgesehen könne er seine Kunden unverändert betreuen. Die offiziellen Bilanzprüfungen müssen allerdings auf die Zeit vor oder nach der voraussichtlich sechsmonatigen Sperre verschoben werden, die laut Financial Times Ende August oder Anfang September beginnt.

Ob alle Kunden das mitmachen, darf man bezweifeln: Zu den praktischen Widrigkeiten kommt schließlich noch ein schwerer Rufschaden für PWC aus der Verwicklung in den Evergrande-Skandal hinzu. Chinas Internetriesen Alibaba und Tencent lassen ihre Konzernbilanzen bisher noch von PWC testieren; ob es aber dabei bleibt, ist ungewiss. Jeweils rund ein Dutzend Firmen haben bereits zu den Konkurrenten KPMG und EY gewechselt; lediglich Deloitte profitiert kaum – eine Folge der Strafe in Sachen China Huarong Asset Management.

Noch lässt sich nicht absehen, wie hoch die Verluste für PWC letztlich ausfallen werden. Das Handelsblatt zitierte am Donnerstag Berechnungen des chinesischen Finanzdienstleisters Wind, denen zufolge PWC bereits Umsätze im Wert von rund 80 Millionen US-Dollar eingebüßt habe. Zuvor hatte der Jahresumsatz der Firma bei umgerechnet 1,1 Milliarden US-Dollar gelegen. Im globalen Maßstab wird PWC die in der Volksrepublik drohenden Verluste verkraften können.

Der Konzern gab seinen weltweiten Umsatz im Finanzjahr 2023 mit über 53 Milliarden US-Dollar an. Mehr als zwei Fünftel davon, gut 23,5 Milliarden US-Dollar, erzielte er in Amerika, zudem rund 19,5 Milliarden US-Dollar in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika. Indische Medien berichteten Ende 2023, PWC India werde schon in Kürze die Umsatzschwelle von 1,1 Milliarden US-Dollar knacken können. Und dennoch: Ein Einbruch auf dem riesigen chinesischen Markt, der unverändert als zentraler Zukunftsmarkt gilt, wöge auch für die Londoner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft schwer.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (27. August 2024 um 12:04 Uhr)
    Auf den ersten Blick könnte man sagen: Schaut her, in China wird den Kapitalisten auf die Finger geschaut, die Regierung sorgt für ehrliches Geschäftsgebaren. Es stellt sich jedoch die Frage, warum in einem Land, das sich Sozialismus – wenn auch nur als »Ideal« für eine ferne Zukunft – auf die Fahnen geschrieben hat, solche Immobilienhaie wie Evergrande ihr Unwesen treiben können. Immer wieder mal, wenn es einer dieser Ausbeuter zu bunt treibt, sich nicht an die gesetzlichen Regeln hält, schreitet die Regierung ein. Strafe gezahlt, zeitweiliges Geschäftsverbot und weiter geht’s. Was bedeuten solche Disziplinierungsmaßnahmen? Ist das jetzt ein verzweifelter Versuch, den kapitalistischen Tiger irgendwie zu bändigen oder handelt sich um eine Beruhigungspille für die Bevölkerung, die ja die Milliarden von Renminbi, die in private Taschen wandern, erarbeiten muss? Zum Thema »Immobilienhaie«: In der DVRK, wo es solche Geschäftsmodelle nicht gibt, läuft aktuell eine Kampagne zur Modernisierung der Dörfer. Es vergeht praktisch kein Tag, wo nicht irgendwo in der Provinz moderne Wohnungen an die Bauern übergeben werden, und zwar kostenlos. Sozialismus als Tagesaufgabe (!), trotz aller Schwierigkeiten und Sanktionen.

Regio:

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