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Aus: Ausgabe vom 29.08.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Landtagswahlen in Sachsen

FDP trifft auf Beschäftigte

Dresden: »Bündnis für Pflege« übergibt Protestnote an Liberale gegen Streikrechtseinschränkung
Von Elias Kaiser
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Unter dem Motto »Streikrecht verteidigen!« protestierten die Aktivisten gegen die Aussagen in dem Positionspapier der FDP-Bundestagsfraktion

Ohne Protest blieb die Wahlkampfveranstaltung der FDP nicht. Gut 30 Personen demonstrierten am Dienstag in der Dresdner Innenstadt gegen die Vorhaben der Liberalen, das Streikrecht einzuschränken. Zum Werbetermin der FDP samt Vorsitzendem und Bundesfinanzminister Christian Lindner kamen gut 200 Leute. Anlass sind die Landtagswahlen am Sonntag in Sachsen (und Thüringen).

Unter dem Motto »Streikrecht verteidigen!« protestierten die Aktivistinnen und Aktivisten vom »Bündnis für Pflege« und anderer Organisationen gegen die Aussagen in einem Positionspapier der FDP-Bundestagsfraktion, das im Juli bekannt geworden war. Darin werden – mit Verweis auf die harte Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft der Lokomotivführer und der Deutschen Bahn – weitreichende Reglementierungen von Arbeitskämpfen gefordert.

So sollen Warnstreiks die Dauer von vier Stunden nicht überschreiten und 72 Stunden zuvor angekündigt werden. Auch auf einen nur kurzen Streik soll dann eine Abkühlungsphase von drei Tagen folgen. Grund für diese Maßnahmen sei, heißt es im Papier der FDP, dass Streiks, »insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur«, in »erheblichem Maße« beeinträchtigen würden. Dieser Punkt macht Christin Baksai besonders wütend. Die examinierte Altenpflegerin ist seit Jahren im »Bündnis für Pflege« aktiv. »Nicht der Streik gefährdet Dritte«, erklärt sie im Gespräch mit junge Welt am Dienstag, »sondern der Normalzustand von Klinik- und Heimsterben, Privatisierungen und Personalmangel.« Streiks seien nicht das Problem, auch nicht in der »kritischen Infrastruktur«, sie seien ein »legitimes Mittel«, um »Verbesserungen durchzusetzen«, so Baksai.

In der Protestnote, die das »Bündnis für Pflege« anlässlich der Kundgebung der FDP überreichte, wurde darauf hingewiesen, dass die Bundestagsfraktion der Liberalen für den unerträglichen »Normalzustand« in weiten Bereichen der kritischen Infrastruktur, gegen den sich die Streiks richten, »eine Mitverantwortung trägt«. Zudem verweist die Protestnote auf die Kämpfe in den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen für einen Tarifvertrag zur Entlastung. »Hätten sich unsere Kolleginnen und Kollegen dort oder in der Berliner Krankenhausbewegung den von der FDP vorgeschlagenen Reglementierungen unterwerfen müssen, wäre ihnen die Durchsetzung ihrer Ziele weitaus schwerer gefallen«, so Dorit Hollasky, Sprecherin der Verdi-Betriebsgruppe am städtischen Klinikum gegenüber jW. Nicht die Kolleginnen und Kollegen bei der Bahn oder in den Unikliniken seien für die langen Streiks verantwortlich, sondern die Chefetagen, die hätten gar nicht oder über nur völlig unzureichende Angebote verhandeln wollen, erklärte das Bündnis am Dienstag in einem Redebeitrag.

Kritik gab es zwar auch am Deutschen Gewerkschaftsbund. So habe deren Vorsitzende Yasmin Fahimi erklärt, man werde in der Frage keinen Millimeter weichen. Bislang sei aber kaum etwas geschehen, so Anna Rosendahl gegenüber jW. Die Aktivistin vom »Bündnis für Pflege« forderte im jW-Gespräch von den Gewerkschaften große Aktionen und Demonstrationen gegen die Pläne, das Streikrecht einzuschränken.

Nach Abschluss der Kundgebung des Bündnisses war noch die Übergabe einer Protestnote an den Bundesfinanzminister geplant und von der FDP zugesagt. Statt dessen nahm Torsten Herbst, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, das Schreiben entgegen. Auch ihm gegenüber erklärten Mitglieder des Bündnisses, dass aufgrund der dramatischen Situation in Kliniken, Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen »Streiks unausweichlich« seien. Herbst verwies auf die Streiks bei der Bahn, die Anlass für das Papier gewesen seien. Die Demonstranten machten klar, dass man sich nicht spalten lassen werde.

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