Westbank unter tödlicher Belagerung
Von Gerrit HoekmanHunderte von israelischen Truppen, Hubschrauber und Drohnen: Auch am zweiten Tag des großangelegten Militäreinsatzes gegen »Terroristen« im besetzten Westjordanland gingen die Angriffe auf die dortigen Flüchtlingslager unvermindert weiter. Am Donnerstag lag der Schwerpunkt offenbar in Dschenin und Tulkarem, während sich die Soldaten aus Tubas nach 30 Stunden zurückzogen, wo sie erhebliche Zerstörung hinterließen. UN-Generalsekretär António Guterres »verurteilt auf das schärfste den Verlust von Menschenleben, darunter auch von Kindern«, erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric. Guterres fordere die sofortige Beendigung der Einsätze.
»Nach einem Feuergefecht schalteten die Einsatzkräfte fünf Terroristen aus, die sich in einer Moschee versteckt hatten«, erklärte die Armee. Der bewaffnete Arm des »Islamischen Dschihad«, die Kuds-Brigaden bestätigten laut Maan den Tod von Mohammed Dschabar alias Abu Schudscha’a und vier anderen Mitgliedern. Dschabar habe schon lange auf der Fahndungsliste der Israelis weit oben gestanden. Damit stieg die Zahl der Getöteten seit Beginn des Einsatzes auf mindestens 18. Die Kuds-Brigaden erklärten laut Reuters weiter: »Als Teil der Reaktion auf die Ermordung unseres Führers« hätte man eine Infanterieeinheit hinter der Abu-Ubaida-Moschee in einen Hinterhalt gelockt. Israelische Truppen seien »direkt getroffen« worden, nachdem ein Sprengsatz in deren Nähe gezündet worden sei.
Weiterhin belagert sind die Lager in Nur Schams und Dschenin. Die Soldaten würden eine Vielzahl von Häusern stürmen und durchsuchen, meldete WAFA. Der Gouverneur von Dschenin berichtete, Einwohner seinen gezwungen worden, ihre Häuser für vier Tage zu verlassen. Die Besatzungstruppen blockieren demnach noch immer die Zufahrtswege zu Kliniken. Der Rote Halbmond teilte mit, er habe aktuell weder Festnetz, Mobilfunk noch Internet. Der Kontakt zu seinen Krankenwagen sei verloren gegangen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell unterbreitete den Außenministern der Mitgliedstaaten unterdessen einen Vorschlag für Sanktionen gegen Minister der israelischen Regierung. Namentlich nicht von ihm genannt, geht es offenbar um Bezalel Smotrich (Finanzen) und Itamar Ben-Gvir (»Sicherheit«), wie EU-Beamte der dpa bestätigten. Borrell wolle die Mitgliedstaaten fragen, »ob sie es für angemessen halten, einige israelische Minister, die inakzeptable Hassbotschaften gegen die Palästinenser verbreiten und Dinge vorschlagen, die eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen, in unsere Sanktionsliste aufzunehmen«. Smotrich und Ben-Gvir fordern eine Ausweitung der illegalen Siedlungen auf der seit 1967 völkerrechtswidrig von Israel besetzten Westbank. Smotrich hält außerdem eine Hungerblockade der zwei Millionen Einwohnern des Gazastreifens für moralisch gerechtfertigt, um die Hamas zur Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln zu zwingen.
»Noch beunruhigender ist der Aufruf des israelischen Außenministers, Menschen aus dem Westjordanland zu vertreiben und damit mehr oder weniger dasselbe zu tun, was sie mit den Menschen in Gaza getan haben. Das ist völlig inakzeptabel«, zitierte die Times of Israel Borrell. »Das ist eine dreiste Lüge«, antwortete der israelische Außenminister Israel Katz auf X. »Ich bin gegen die Vertreibung jeglicher Bevölkerung aus ihrer Heimat.«
Unterstützung für Borrells Vorstoß kommt aus Irland. Außenminister Micheál Martin kündigte Reuters zufolge an, Sanktionen gegen die ultrarechten Minister zu unterstützen. Allerdings kann ein solcher Beschluss in der EU nur einstimmig gefasst werden, und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn standen Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüber. Außenministerin Annalena Baerbock schloss bei dem EU-Treffen allerdings eine deutsche Zustimmung zu den Plänen nicht aus. Aus ihrer Sicht sollten allein die gesetzlichen Vorgaben und die Vorwürfe gegen die Politiker ausschlaggebend sein. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob diese für eine Sanktionierung ausreichten, sagte sie. Diplomaten in Brüssel befürchten, so dpa, dass Strafmaßnahmen die Gesprächskanäle zur israelischen Regierung versiegen lassen könnten. Über diese Kanäle hatte man allerdings auch bislang keinen Einfluss auf Israel.
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