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Aus: Ausgabe vom 30.08.2024, Seite 6 / Ausland
Myanmar

Rakhine fast gefallen

Myanmars Machthaber drohen erstmals einen ganzen Teilstaat an Aufständische zu verlieren. Thinktank benennt Hürden für Autonomie
Von Thomas Berger
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Schon im Frühjahr sind zahlreiche Menschen aus Myanmar in Richtung Thailand geflohen (Mae Sot, 13.4.2024)

Die Rückschläge der Armeegeneräle in Myanmar insbesondere in den vergangenen zehn Monaten waren mannigfaltig. Deutliche Erfolge hatte der Widerstand gegen die 2021 durch einen Putsch an die Macht gelangten Militärs zwar schon vorher eingefahren. Seit Beginn der nach ihrem Startdatum am 27. Oktober benannten »Operation 1027« der »Three Brotherhood Alliance« (3BA) haben die Verluste der Regierungstruppen aber ein Ausmaß erreicht, das sogar Juntachef Min Aung Hlaing höchstpersönlich in Bedrängnis bringt.

In der 3BA haben sich drei der aktuell wichtigsten bewaffneten Gruppierungen der Minderheiten in dem Vielvölkerstaat zusammengeschlossen. Die Armee der Nationalen Demokratischen Allianz Myanmars (englische Abkürzung: MNDAA) und die Nationale Taang-Befreiungsarmee (TNLA) rücken im östlichen Shan-Staat immer weiter vor. Mit Rakhine im Nordwesten des Landes könnten die Militärs demnächst aber sogar einen kompletten Teilstaat verlieren, heißt es dieser Tage immer häufiger in nahezu gleichlautenden Prognosen.

Denn der dritte im Bunde, die bis zu 40.000 Mann starke Arakan-Armee (AA), ist aktuell dabei, den Küstenstreifen im südlichsten Abschnitt Ra­khines endgültig unter seine Kontrolle zu bringen. Bis auf 30 Kilometer sind ihre Truppen am Wochenende an das Städtchen Gwa herangerückt, wo sich noch die Hauptquartiere der Infanteriebataillone 562 und 563 der Regierungsarmee befinden, meldete The Irrawaddy. Das seit Juni umkämpfte Maungdaw, bis dato die letzte Bastion der Militärs im Nordwesten des Teilstaats, war bereits vorige Woche gefallen.

»In lediglich ein paar Monaten hat die Arakan Army das größte Gebiet in Myanmar geschaffen, das von einer nichtstaatlichen bewaffneten Gruppierung kontrolliert wird – sowohl in Größe wie Bevölkerung –, und steht nun davor, sich ganz Rakhine zu sichern«, heißt es in der Anfang dieser Woche vom Thinktank »International Crisis Group« vorgelegten Analyse zur aktuellen Lage in dieser Landesregion unter dem englischen Titel »Breaking Away: The Battle For Myanmar’s Rakhine State«.

Gerechnet wird damit, dass auch die Regionalhauptstadt Sittwe bald direkt ins Visier der AA-Truppen gerät. Etliche Dörfer in deren weiterem Umfeld haben die Aufständischen schon seit dem Frühjahr erobert, aus Sittwe selbst sind viele Einwohner geflohen. Die verbliebenen gelten der Administration der Militärs als unsichere Kantonisten. Allein am 5. August, so eine Meldung des unabhängigen Nachrichtenportals Mizzima unter Berufung auf lokale Quellen, seien 52 Zivilisten beiderlei Geschlechts festgenommen worden, die unter Verdacht stünden, mit der AA zu kooperieren.

Was die langfristigen Ziele der AA angeht – also eine weitgehende Autonomie für den Rakhine-Staat –, listet die »International Crisis Group« etliche Hürden für eine effektive Umsetzung auf. Verwiesen wird unter anderem auf geringe Rohstoffvorkommen, die nur mit unverhältnismäßigem Aufwand auszubeuten wären. Der Handel mit den Nachbarländern Indien und Bangladesch sei unterentwickelt, gleiches gelte für Transportwege in diese Richtungen. Was sich ergänzen ließe: Generell gehört dieser Teil des historischen Königreichs Arakan zu jenen Gebieten an der Peripherie Myanmars, wo es noch besonders viel Rückstände in Sachen Infrastruktur gibt, mancherorts bereits eine verlässliche Stromversorgung fehlt und auch befestigte Straßen Mangelware sind.

Überdies, so der Thinktank, seien Neu-Delhi und Dhaka weitaus zurückhaltender, sich mit den Widerstandsgruppen der diversen Bevölkerungsgruppen einzulassen, als China und Thailand an den nördlichen und östlichen Grenzen. Entsprechend sei der Rakhine-Staat »in hohem Maße auf das regimekontrollierte Zentralmyanmar angewiesen, was die Versorgung mit wichtigen Gütern angeht, und bezüglich Elektrizität, Kommunikation und Bankdienstleistungen fast komplett von Naypyidaw abhängig«. Auch macht Bangladesch Druck, um möglichst bald die rund eine Million dort noch in Flüchtlingslagern lebenden Angehörigen der Rohingya-Minderheit wieder loszuwerden. Das wäre eine Zusatzbelastung zur Realisierung der weitgehenden Autonomieträume, wird angemerkt.

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