Chinas Konter
Von Jörg KronauerChinas Gegenmaßnahmen gegen die US-Halbleiterembargos scheinen so langsam Wirkung zu zeigen. Jedenfalls macht sich unter westlichen Rohstoffhändlern spürbar Unruhe breit, so ein Bericht der Financial Times vom Dienstag. Warum? Wegen der steigenden Preise und einer gewissen Knappheit einiger für die Hightechindustrie unverzichtbarer Ressourcen. Man erinnert sich: Beijing hatte zum 1. August 2023 den Export von Gallium und Germanium strikten Kontrollen unterworfen. Beide Elemente werden etwa zur Halbleiterproduktion, zur Herstellung von Solarzellen oder auch zur Fertigung von Nachtsichtgeräten benötigt. Die Volksrepublik produziert 60 Prozent des weltweit verfügbaren Germaniums sowie 80, nach Angaben des US Geological Survey womöglich sogar 98 Prozent, des globalen Galliums. Nicht nur, dass die Ausfuhrkontrollen 30 bis 80 Tage dauern und es ermöglichen, Exporte in bestimmte Länder zu verschleppen oder auch ganz zu verweigern. Sie haben die weltweit verfügbaren Mengen an Gallium und an Germanium inzwischen in der Tat verknappt.
Das löst die erwähnte Unruhe unter westlichen Rohstoffhändlern aus. Unangenehm genug für Produzenten von Halbleitern und militärischer Optik, dass die Preise steigen, dass Gallium und Germanium mittlerweile rund 50 Prozent mehr kosten als noch vor einem Jahr, jedenfalls außerhalb Chinas. Sein Unternehmen habe zuletzt nur noch »einen Bruchteil dessen erhalten, was wir in der Vergangenheit gekauft haben«, wurde ein Manager des Frankfurter Metallhändlers Tradium in der Financial Times zitiert. Wenn die Volksrepublik »die Galliumexporte weiter so« reduziere, »wie sie das im ersten Halbjahr getan hat«, dann gingen »unsere Reserven zur Neige, und es wird zu Mangel kommen«, beklagte sich ein Mitarbeiter eines auf den Rohstoff angewiesenen Unternehmens. Schon jetzt, hielt ein Manager des Metallhändlers Strategic Metal Investments aus Vancouver fest, biete China »im Ausland kein Germanium mehr an«.
Und das ist nicht alles. Beijing hat im Oktober vergangenen Jahres – nur drei Tage, nachdem die US-Administration neue Chipsanktionen angekündigt hatte – mitgeteilt, am 1. Dezember 2023 träten Exportkontrollen bei Graphit in Kraft. Graphit ist einer der zentralen Grundstoffe bei der Herstellung von Elektroautobatterien. Aus China kommen rund zwei Drittel des natürlich abgebauten und fast das gesamte synthetisch hergestellte Graphit. Zudem findet die Aufbereitung des Graphits für die Verwendung in Batterien zu mehr als 90 Prozent in der Volksrepublik statt. Wegen der chinesischen Marktdominanz sah sich die US-Administration im Januar gezwungen, mit chinesischem Graphit hergestellte Batterien für die Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) freizugeben, der eigentlich zur Nutzung US-amerikanischer Rohstoffe verpflichtet. Im Frühjahr verhängte sie dann aber Zölle von 25 Prozent auf die Einfuhr von Graphit aus der Volksrepublik; das soll der Industrie den Aufbau einer von China unabhängigen Graphitproduktion schmackhaft machen. Dies aber dürfte einige Jährchen dauern.
Bis dahin hat Beijing Druckmittel, mit denen es sich gegen die Chipsanktionen aus Washington zumindest ein Stück weit zur Wehr setzen kann. Und es ist bemüht, sich noch weitere Mittel zu verschaffen. So hat es Mitte August angekündigt, Exportkontrollen auch bei Antimon einzuführen; sie sollen am 15. September in Kraft treten. Antimon wird in der Photovoltaik verwendet, vor allem aber in der Rüstungsproduktion genutzt – in der Fertigung von Munition und Raketen beispielsweise. China verfügt zur Zeit über rund die Hälfte der Förderung und über 80 Prozent der Kapazitäten zur Aufbereitung von Antimon. Da die Unternehmen, die auf das Element angewiesen sind, begonnen haben, es zu bunkern, hat sich sein Preis seit Jahresbeginn verdoppelt. Das Pentagon treibt inzwischen ein Projekt zur Beschaffung von Antimon unabhängig von China voran. Laut Planungsstand ist aber nicht vor 2028 mit einem Durchbruch zu rechnen. Bis dahin hat Beijing also die Option, Washington die Waffenproduktion ein wenig zu erschweren.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. August 2024 um 22:04 Uhr)Es ist doch immer wieder erfrischend, wie das alte chinesische Sprichwort »Wenn du Wasser trinkst, vergiss die Quelle nicht« plötzlich eine ganz neue Bedeutung gewinnt. Nur dass in diesem Fall das Wasser aus Gallium, Germanium und einer Prise Graphit besteht – garniert mit einem Schuss Antimon. Der werte Westen war so sehr mit seinen Chipsanktionen beschäftigt, dass er glatt vergessen hat, woher die Quellen seiner Hightech-Wunderwerke sprudeln. Wer hätte gedacht, dass unscheinbare Elemente, die man kaum im Periodensystem beachtet, plötzlich zu den Superstars der geopolitischen Bühne avancieren? Während die US-Regierung die chinesische Quelle austrocknen wollte, hat China wohl beschlossen, den »Wasserhahn« ein wenig zuzudrehen. Wer trinkt, denkt eben auch an die Quelle. Jetzt drehen sich westliche Rohstoffhändler und Hightechproduzenten im Kreis, weil die Preise steigen und die Reserven schwinden. War das wirklich so schwer vorauszusehen? Am Ende bleibt nur eines zu sagen: Wer an den Brunnen tritt, sollte nicht überrascht sein, wenn der Wasserspender plötzlich die Kontrolle übernimmt. Ganz nach dem Motto: Wer die Quelle nicht ehrt, wird durstig bleiben.
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