Pressevertreter ausgeladen
Von Kristian StemmlerEs ist kein Geheimnis, dass dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kritische Journalisten ein Dorn im Auge sind. Der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) geriet nun mit türkischen Behörden wegen einer Pressereise in einen heftigen Streit. Die Berufsvereinigung sagte Anfang der Woche die vom 8. bis 10. September geplante Reise in die Türkei ab, nachdem die türkische Botschaft in Wien vier Journalisten abgelehnt hatte, die sich für die Tour angemeldet hatten.
Dem ÖJC zufolge teilte die Botschaft dem Verband mit, die aktuelle Teilnehmerliste werde »in der vorliegenden Form« nicht akzeptiert. Es sei »wünschenswert«, würden die vier beanstandeten Mitglieder durch andere Personen ersetzt. Nach jW-Informationen handelt es sich bei diesen Mitgliedern um zwei österreichische Journalisten sowie zwei bulgarische Medienschaffende, die in Wien leben und für bulgarische Medien schreiben.
Auf der Teilnehmerliste der Tour seien außerdem zu wenige bedeutende überregionale Medien vertreten, monierte die Botschaft. Die Kommunikationsabteilung lege »großen Wert auf diese Pressereise« und erwarte »eine qualitativ hochwertige Berichterstattung über die Erlebnisse und Erkenntnisse während der Termine in der Türkei«. Für den ÖJC ist das »politische Einflussnahme auf Auswahl und Inhalte« seiner Themensetzung sowie seiner Pressereisen. Der Club wies die Erklärung »auf das entschiedenste« zurück.
Es sei »dreist, nicht genehme Journalisten auszuwählen und auch noch Art und Weise des Mediums und der Berichterstattung vorzuschreiben«. Dieses Vorgehen entlarve »den Zustand der Medien und der ›freien‹ Berichterstattung in der heutigen Türkei«. Aus all diesen Gründen habe der Vorstand des ÖJC veranlasst, »diese mit der türkischen Botschaft lange geplante Pressereise abzusagen«. ÖJC-Präsident Christian Stöger wertete das Ansinnen der türkischen Botschaft per Mitteilung »als unzulässige Einflussnahme und als Angriff auf die Pressefreiheit«.
Auch jW-Autor und ÖJC-Vorstandsmitglied Dieter Reinisch wies die Forderungen der Botschaft am Mittwoch gegenüber jW als Versuch der Einflussnahme zurück. »Wir sind der Meinung, dass alle unsere Mitglieder gleichwertig sind, egal, für welches Medium oder für welches Land sie journalistisch arbeiten«, sagte er. Eine Verbindung zur Pressefreiheit herzustellen, wie der ÖJC es getan habe, sei abwegig, erklärte die Botschaft am Dienstag. Deren Kommunikationsabteilung habe lediglich darum gebeten, »den Charakter einer dienstlichen Reise aufrechtzuerhalten«.
An Vorwürfen in Richtung des ÖJC ließ die Auslandsvertretung es nicht mangeln. Die Vereinigung habe »bedauerlicherweise« versucht, »diese Pressetour zu einer touristischen Veranstaltung für einige ihrer Mitglieder umzugestalten«, obwohl in diesem Rahmen eigentlich ein Austausch mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern »aus Bürokratie, Medien und Universitäten« geplant gewesen sei. Den Teilnehmern habe man die Möglichkeit bieten wollen, »Impulse für ihre weitere professionelle und journalistische Arbeit« zu erhalten. Einige Teilnehmer der Pressetour hätten aber »inhaltlich keinen journalistischen Bezug« zur Türkei. Auch habe sich unter den angemeldeten Personen »ein Partnerpaar« befunden, was den Eindruck verstärkt habe, »man beabsichtige ›Urlaub‹ in Türkiye zu verbringen«
Der ÖJC wies diese Darstellung der Botschaft postwendend zurück. Die Pressereisen des Vereins seien »immer mit deutlichen journalistischen Schwerpunkten« ausgerichtet – in diesem Fall die Themen »Pressefreiheit« und »E-Auto-Produktion TOGG« – und hätten »keineswegs touristischen Charakter«. Bei den vier abgelehnten Journalisten handele es sich »durchweg um verdiente Mitglieder des Österreichischen Journalistenclubs« und aktive Journalisten. Auch sei für den ÖJC »die Berichterstattung über solche Reisen ausschlaggebend, und nicht der Familienstand«.
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