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Aus: Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Nahostkonflikt

Unter Belagerung

Westjordanland: Die Stadt Dschenin ist von der israelischen Offensive besonders betroffen
Von Wahaj Bani Moufleh (Foto) und Gerrit Hoekman (Text)
Während des großangelegten Angriffs am 30. August steigt in Dschenin Rauch auf
Ein Palästinenser signalisiert den israelischen Truppen, dass er unbewaffnet ist (Dschenin, 30.8.2024)
Infrastruktur wie Straßen wird von den Besatzungstruppen zerstört (Dschenin, 1.9.2024)
Die Wege sind wegen der israelischen Zerstörungen schwer begehbar (Dschenin, 1.9.2024)

Am Mittwoch forderte der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant bei einem Treffen mit Offizieren, die »volle Stärke« der Armee in der Westbank einzusetzen. Die Armee habe zwar »den Rasen gemäht«, sie müsse aber noch »die Wurzeln herausreißen«. So geht die am 28. August begonnene israelische Offensive in der Westbank unvermindert weiter. In Tubas kamen am Donnerstag weitere fünf junge Männer unter den israelischen »Rasenmäher«, um im Bild zu bleiben. Diese Zahl meldete die Agentur WAFA. Nach israelischen Angaben habe es sich um »bewaffnete Terroristen« gehandelt.

Die Zahl der seit Beginn der Militäroperation in der Westbank getöteten Palästinenser erhöhte sich damit laut WAFA auf 39. Der »Anstieg des Terrors in Judäa und Samaria« sei ein Thema, »auf das wir uns in jedem Moment konzentrieren müssen«, so Gallant. Er meinte damit natürlich nicht das Vorgehen seiner Truppen, sondern die palästinensischen Kämpfer, die der Besatzungsmacht offenbar erbitterten Widerstand entgegensetzen. Sie gehören wohl weniger der Hamas als dem »Islamischen Dschihad« an. Dieser behauptete dem TV-Sender Al-Majadin vom Mittwoch zufolge, der israelischen Armee erhebliche Verluste zugefügt zu haben.

Die Stadt Dschenin ist mit bisher 19 Todesopfern einmal mehr am härtesten betroffen. Die Straßen sind menschenleer. »Es ist wie einem Gefängnis«, sagte ein 56 Jahre alter Bewohner des örtlichen Flüchtlingslagers am Donnerstag gegenüber AFP. »Sie zwingen dich, im Haus zu bleiben, anstatt rauszugehen und ein normales Leben zu führen.« Aus langjähriger Erfahrung mit israelischen Razzien lege seine Familie immer einen Vorrat an Lebensmitteln an, aber der gehe langsam zu Ende. »Wir planen für zwei bis drei Tage, nicht für eine oder zwei Wochen.«

Fast allen in Dschenin geht es so. Inzwischen liefere der Rote Halbmond auch Wasser und Lebensmittel aus, berichtete AFP. Viele Bewohner sollen das Lager inzwischen verlassen haben. Israelische Bulldozer haben die Asphaltstraßen aufgerissen, zerstören Wasser- und Stromleitungen. Angeblich suchen sie nach versteckten Sprengsätzen.

Am Mittwoch umstellten die Besatzungstruppen die Stadtverwaltung. Bürgermeister Nidal Al-Obeidi sagte gegenüber WAFA, die Soldaten hätten die Angestellten und den Gouverneur festgenommen. Bulldozer würden zudem die Zugänge zum Regierungskrankenhaus blockieren. Eigentlich wollten sich am Mittwoch einige Minister der Palästinensischen Nationalbehörde in Dschenin treffen, um sich über die Lage vor Ort zu informieren. Anschließend war nach Angaben der Nachrichtenseite Maan eine Pressekonferenz geplant. Die Präsenz der Besatzungsarmee in Dschenin verhinderte jedoch die Anreise.

Seit dem 7. Oktober sind auf der Westbank über 5.000 Menschen festgenommen worden. Israel behauptet, es handele sich um gesuchte Terroristen. Unter ihnen sollen sich 2.000 Mitglieder der Hamas befinden. WAFA zufolge sind in dem Zeitraum auf der Westbank 699 Palästinenser getötet worden. Gleichzeitig soll es 23 israelische Todesopfer gegeben haben.

Wahaj Bani Moufleh ist Mitglied der internationalen Fotografengruppe »Active Stills«

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