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Aus: Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 4 / Inland
Nach »Eugenik«-Äußerungen

Kein Vertrauen

Sachsen: Ärztevertreter muss gehen
Von Philip Tassev
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Eben träumte er noch von einer »humanen« Eugenik, nun ist er seinen Posten los: Ex-KVS-Chef Klaus Heckemann

Der Vorsitzende des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Klaus Heckemann, muss seinen Posten räumen. In einer Sondersitzung der Vertreterversammlung am Mittwoch abend wurde ihm das Vertrauen entzogen. Der Allgemeinmediziner, der seit 2005 Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen war, hatte sich in einem Leitartikel der Mai/Juni-Ausgabe der verbandseigenen KVS-Mitteilungen zum Thema Humangenetik geäußert.

Nach der Konstatierung eines Preisverfalls bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms in den letzten 20 Jahren skizzierte er dort eine »Zukunftsvision«: »Sollte es möglich werden, auch die Mutationssuche noch weiter bezüglich der Kosten drastisch zu optimieren«, könnte man allen Frauen mit Kinderwunsch eine »komplette Mutationssuche nach allen bekannten, autosomal-rezessiv vererbbaren, schweren Erkrankungen« anbieten, gegebenenfalls auch den potentiellen Vätern. So ließe sich das »Risiko der Geburt eines schwerstkranken Kindes ausschließen«, um so »besonders das Leid der betroffenen Eltern« zu vermeiden. Heckemann schrieb dann, dass dabei »auch ethische Aspekte berührt« werden, da es sich dabei »zweifellos um Eugenik« handele, »allerdings in ihrem besten und humansten Sinn«.

Für seine Aussagen erntete er starke Kritik. Heckemanns Vision erinnere »erschreckend an die utilitaristische Denkweise« von Medizinern aus der Nazizeit, beklagte etwa die Behindertenrechtsorganisation Abilitywatch in einer Mitteilung. Denn »auch sie betrachteten behinderte Menschen unter Kostenaspekten und hielten Leben, die von ›Leid‹ und ›Lebenszeitverkürzung‹ geprägt seien, für nicht erstrebenswert. Die Nutzung von Pränataldiagnostik und anderen künftigen Verfahren zur Vermeidung der Geburt eines ›schwerstkranken Kindes‹ suggeriert, dass das Leben von Menschen mit Behinderungen weniger wert ist.« Dresdner Hochschulmediziner hatten Heckemann in einem offenen Brief an Sozialministerin Petra Köpping (SPD) als »nicht mehr tragbar« bezeichnet.

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