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Aus: Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 5 / Inland
M+E-Tarifrunde

»Mit Augenmaß«

IG Metall fordert in Tarifrunde Metall und Elektro sieben Prozent mehr Lohn und ist offen für Viertagewoche bei VW
Von Susanne Knütter
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Metall- und Elektrotarifrunde: Kapital wettert gegen Forderung der IG Metall. Deren Chefin offen für Viertagewoche bei VW

Trotz VW-Krise, die Forderungen bleiben. Die IG Metall verlangt für die im Herbst geplante Tarifrunde bei VW wie für die in der nächsten Woche beginnenden Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sieben Prozent mehr Lohn. »Selbst in Phasen, wo es Volkswagen exorbitant besser ging als dem Rest der Branche, haben wir bei Volkswagen die gleichen Entgeltsteigerungen vereinbart«, sagte Niedersachsens IG-Metall-Chef Thorsten Gröger am Rande einer Tarifpolitischen Konferenz in Hannover am Donnerstag. Man sehe keinen Grund, jetzt von diesem Grundsatz abzuweichen. Zugeständnisse könnten allerdings an anderer Stelle gemacht werden. Ob die Viertagewoche eine mögliche Lösung wäre, wollte ein Journalist wissen, wie IG-Metall-Pressesprecher Jan Mentrup am Donnerstag gegenüber jW erläuterte. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, antwortete demnach: »Wir verschließen uns keiner Option.«

Bereits Anfang der 1990er Jahre, als VW in einer tiefen Krise steckte, einigten sich der Autokonzern und die Gewerkschaft auf eine Viertagewoche. Massenentlassungen und der Wegfall von 30.000 Stellen konnten demnach damit verhindert werden. Und das ist für die IG Metall auch jetzt die »rote Linie«: Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen, die VW nicht mehr ausschließt, müssten vom Tisch kommen, betonte Benner.

Könnte die Krise bei VW am Ende das Ergebnis in der gesamten Metall- und Elektroindustrie drücken? Voneinander losgelöst seien die Verhandlungsrunden bei VW und in der Metall- und Elektroindustrie nicht, sagte Mentrup. Wie sie sich wechselseitig beeinflussen, könne man noch nicht sagen. Wichtig sei die »Kampfeskraft der Kollegen«, so Mentrup und erinnerte an die Tausenden Metaller, die während der letzten Tarifrunde 2022 bundesweit auf den Straßen waren. Laut IG Metall waren es 900.000.

Den Auftakt dafür machte die Tarifpolitische Konferenz der Gewerkschaft in Hannover. An die 400 Kollegen aus der Metall- und Elektroindustrie haben laut IG Metall teilgenommen. Darunter auch viele Arbeiter von VW. Hier wurden die Beschäftigten eingestimmt, motiviert für die kommende Auseinandersetzung und gebrieft – insbesondere in Strategien der Unternehmen. Denn die wettern regelmäßig vor Tarifrunden. So schrieb sich der Präsident des Landesverbandes der Unternehmer in NRW Ende August in einem Gastbetrag für die FAZ die Sorgen von der Seele: Deutschland sei von vielen Ländern bereits überholt worden. Selbst in den Kernbereichen verliere der Industriestandort an Wettbewerbsfähigkeit. »Strukturelle Abwärtsspirale«, »täglich neue bittere konjunkturelle Nachrichten« und »Meldungen über Personalabbau« – für viele Unternehmen sei die Lage »äußerst bedrohlich«. Angesichts dessen sei die Forderung nach sieben Prozent mehr Lohn »völlig unrealistisch«.

Am Donnerstag legte der Präsident des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM), Bertram Brossardt, nach. Er verwies auf »Transformation, Georisiken, Konjunkturschwäche und Standortprobleme«, die die Unternehmen belasteten. Mittlerweile sei »der Auftragsmangel das mit Abstand größte Hindernis für die Produktion und nicht mehr der Fachkräftemangel«.

Sehr gut sei die Konjunktur nicht, sagte Timo Günther vom IG-Metall-Bezirk Bayern am Donnerstag gegenüber jW. Deshalb habe die Gewerkschaft eine Forderung »mit Augenmaß« erhoben. »Aber die Schwarzmalerei der Unternehmen ist arg übertrieben.« Günther verwies auf eine am 19. August veröffentlichte Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft. Beim Thema Standortqualität belege Bayern demnach weltweit Platz zwei. »Ein haarsträubender Widerspruch«, urteilte auch IG-Metall-Geschäftsführer Horst Ott. Die Preise seien in den letzten zwei, drei Jahren um 15 Prozent gestiegen, die Inflationsausgleichsprämie längst verpufft. »Der private Konsum ist der wichtigste Motor der Konjunktur und muss jetzt angekurbelt werden«, so Ott in einer Presseerklärung. Lohnerhöhungen würden helfen – und am Ende auch gar nicht so reinhauen wie behauptet. Im Schnitt machten die Lohnkosten in der M+E-Industrie nur rund 15 Prozent der Gesamtkosten der Betriebe aus. Eine Entgeltsteigerung um sieben Prozent würde also die Gesamtkosten der Betriebe nur um rund ein Prozent erhöhen.

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