Grüner Platz an der Sonne
Von Julia ManekIn der namibischen Hauptstadt Windhoek endete am Donnerstag ein dreitägiger Wasserstoffgipfel (»Global African Hydrogen Summit«). Führende Politiker afrikanischer Staaten trafen dort etwa auf Vertreter von Thyssen-Krupp und Siemens. Globale Beraterfirmen waren vor Ort, und auch das Bundeswirtschaftsministerium machte sich bei dem Gipfel stark für das Megaprojekt »Hyphen«. In dessen Rahmen sollen bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million Tonnen des grünen Wasserstoffderivats Ammoniak hergestellt werden. Für den Export nach Europa. RWE hat bereits einen Abnahmevertrag unterzeichnet. Noch ist aber nicht alles in trockenen Tüchern.
Kritische Journalisten waren bei dem Gipfel ebenso wenig zugegen wie Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft. Die organisierten zeitgleich einen Gegenworkshop, stellten dort nicht nur die Ingenieurstechnik auf den Prüfstand, sondern auch die Versprechen der Politiker und Wirtschaftsführer an die namibische Bevölkerung. Außerdem ging es um die Bestimmung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den »Big Deal«.
»Wir sind nicht gegen die Entwicklung der erneuerbaren Energien«, erklärte Tijpura Tjipura von der Organisation Economic and Social Justice Trust (ESJT), die den Workshop maßgeblich mitorganisiert hatte: »Aber die gesetzgebenden Staaten müssen ihrer Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und auch gegenüber den kommenden Generationen gerecht werden.«
Tatsächlich ist der »grüne Wasserstoff« bislang recht dreckig. Und von Transparenz gegenüber der Bevölkerung keine Spur, wie der Aktivist Tjipura mit Bezug auf das »Hyphen«-Projekt erläuterte. »Die namibische Regierung hat die größte Ausschreibung in der Geschichte des Landes ohne Sorgfaltsprüfung durchgezogen und keinerlei Details offengelegt.« Diese Geheimhaltung sei inakzeptabel, da »öffentliche Gelder, Ressourcen und Interessen im Spiel sind«.
Bei Hyphen geht es bislang um nichts als Exportwirtschaft. In einem Land, in dem der nationale Wassernotstand ausgerufen wurde und gerade einmal die Hälfte der Haushalte elektrifiziert ist, soll Meerwasser entsalzt und mit erneuerbarer Energie in Wasserstoff verwandelt werden. Der soll, umgewandelt in hochexplosives Ammoniak, auf Tanker geladen und unter hohen Energieverlusten nach Deutschland gebracht werden, um etwa die dortige Stahlindustrie dekarbonisieren zu können. Für die lokale Bevölkerung in Namibia soll es weder Wasser noch Strom geben, noch das für die Agrarproduktion wichtige Ammoniak. Tjipura: »Das riecht nach Neokolonialismus.«
Apropos Kolonialismus. »Hyphens« Solar- und Windenergieanlagen sollen auf einer Fläche von rund 2.000 Quadratkilometern errichtet werden. Das Areal hat einen deutschen Namen: »Sperrgebiet«: Es handelt sich um die Gebiete der Nama, einer der Volksgruppen, an der die deutschen Truppen den ersten Genozid des vergangenen Jahrhunderts verübten. Nachdem dort Diamanten gefunden worden waren, erklärten sie das geraubte Land zum Sperrgebiet.
Sima Luipert spricht für die Nama Traditional Leaders Association, den Dachverband der Nama und Nachfahren der Überlebenden des deutschen Genozids. Sie zitierte Robert Habeck, der zwar vor einem grünen Energieimperialismus in Namibia warnte, aber zum Sperrgebiet – dem heutigen »Tsau-Khaeb«-Nationalpark – gesagt habe, es sei »leer«. Luipert: »Das ist der gleiche koloniale Blick, der es den Deutschen erlaubte, sich das Land einzuverleiben und die Menschen, die dort lebten, bis zur versuchten Vernichtung auszubeuten.«
■Als die BRD und Namibia 2021 eine Wasserstoffpartnerschaft verkündeten, verabschiedeten die beiden Staaten auch eine gemeinsame Erklärung, die von den Deutschen als »Versöhnungsabkommen« bezeichnet wurde. Das war Augenwischerei. Nicht nur verweigert die BRD bis heute die rechtsverbindliche Anerkennung des Völkermords. In der Erklärung versuche sich Deutschland »von der kolonialen Schuld reinzuwaschen«, erklärt Luipert, »und bedient dabei die gleichen kolonialen Bilder wie anno dazumal. Die Bundesregierung tut so, als hätten die deutschen Kolonialtruppen keine Menschen umgebracht, sondern lediglich ›Wilde‹«.
Gemeinsam mit der Ovaherero Traditional Authorities betont die NTLA die Verantwortung Deutschlands, auch beim Ausbau der Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion. Mit Forschern von Forensic Architecture rekonstruierten die beiden Verbände deutsche Kolonialverbrechen auf der Insel Shark Island, die der Stadt Lüderitz am südlichsten Zipfel Namibias vorgelagert ist. Auf der Haifischinsel stand ein deutsches Konzentrationslager, in dem Tausende getötet wurden. Mit Radaruntersuchungen wurde nachgewiesen, dass zahlreiche menschliche Gebeine unbestattet unter der Erdoberfläche liegen. Für den Wasserstoffexport sollen dort Hafenterminals gebaut werden, die die Insel als Erinnerungsort zerstören würden. »Der deutsche Energiehunger und der Traum der Dekarbonisierung drohen die Spuren des Genozids zu vernichten«, sagt Sima Luipert. »Deutschland entzieht sich Reparationen. Statt dessen repariert es sich selbst, auf Kosten unserer lokalen Bevölkerung.«
Die Autorin ist bei medico international Referentin für Südliches Afrika
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (7. September 2024 um 11:58 Uhr)Zitat: »Deutschland will Traum von Dekarbonisierung auf Kosten der Menschen in Namibia verwirklichen.« Gleiches gilt aber auch für die namibische Regierung. Um die Gefahren wissend, lässt sie sich freiwillig kolonisieren. Die einheimischen Herrscher fallen so den Afrikanern in Namibia in den Rücken.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Fjerritslev (5. September 2024 um 23:48 Uhr)Immerhin: Eine »H2 - Diesel Dual Fuel Locomotive, Walvis Bay to Kranzberg corridor« soll für Namibia dabei abfallen... Näheres hier im Bericht: https://dechema.de/green_hydrogen_namibia_report/_/H2-Report_GreeN-H2_digital.pdf und weiterführend: https://dechema.de/green_hydrogen_namibia_report.html
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