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Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Umweltpolitik

Labors Verrat

Australiens regierende Sozialdemokraten wollten den Umweltschutz gesetzlich stärken – wollten
Von Thomas Berger
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Politikum in Down Under: Rohstoffabbau samt Abbau ökologischer Standards durch Regierungshandeln

Es war eines der zentralen Wahlversprechen der sozialdemokratischen Labor Party in Australien: eine Stärkung der Umweltschutzgesetze im größten Industrieland der Südhalbkugel. Tatsächlich wurde im Mai mit der ersten Fassung der »Nature Positive (Environment Protection Australia) Bill 2024« ein recht weitreichender Gesetzentwurf auf den parlamentarischen Weg gebracht. Aktuell scheint es jedoch, als würden die Sozialdemokraten der Regierung von Antony Albanese vor einem halben Rückzieher stehen. Zeitungen aus dem besonders stark vom Bergbau geprägten Bundesstaat Western Australia berichteten jüngst von der Bereitschaft des Premiers, lieber eine Vereinbarung mit der bürgerlichen Opposition einzugehen als gemeinsam mit den Grünen und Umweltgruppen. Letztere werfen Albanese vor, den Gesetzentwurf dadurch inhaltlich zu verwässern. Auch von »Verrat« ist teilweise die Rede.

Laut Plan soll eine neue zentralstaatliche Umweltbehörde, die schon im Gesetzesnamen genannte Environment Protection Australia (EPA), zum 1. Juli 2025 ihre Arbeit aufnehmen. Das käme grundsätzlich sogar der mächtigen Bergbauindustrie entgegen. Die Konzerne brauchen für langfristige Entscheidungen Planungs- und Rechtssicherheit – deshalb möchten sie das Thema vor den nächsten Wahlen, die spätestens im September kommenden Jahres anstehen und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse hervorbringen, entschieden sehen. Albanese nutzt den auch von den Wirtschaftsverbänden kommenden Druck in dieser Frage, um Oppositionsführer Peter Dutton ausdrücklich zur Zustimmung zu einem EPA-Gesetz aufzufordern, das in zentralen Passagen im Gegenzug »angepasst« werden könnte.

Im Klartext bedeutet das, wie Umweltschützer und Grünen-Spitzenpolitiker betonen, nichts anderes als gravierende Abstriche zugunsten der Industrielobby. Im Interview des Premiers ist davon die Rede, die neue Behörde solle schlicht nur noch für die Kontrolle der Einhaltung bestehender Gesetze zuständig sein. Die ihr zugedachte Machtposition, unabhängig ohne Weisungsbefugnis des Ministeriums Projekte genehmigen und vor allem ablehnen zu können, würde der EPA demnach genommen.

Schon »wochenlang« sei die Einigungsofferte an Oppositionschef Dutton und die übrige Führung der konservativen Coalition von Albanese und seiner Umweltministerin Tanya Plibersek vorbereitet worden, hieß es zu Beginn voriger Woche nach Recherchen der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt ABC. »Labors Einknicken bei den Umweltgesetzen wäre der finale Sargnagel für die umweltpolitische Glaubwürdigkeit der Partei vor den nächsten Wahlen. Es scheint, als wäre der Premierminister bereit, Labors Ansehen in Umwelt- und Klimafragen für einen schmutzigen Deal mit Dutton aufzugeben, um Leute wie Gina Rinehart und die Kohle-, Gas- und Holzeinschlagkonzerne zu befriedigen«, kritisierte Senatorin Sarah Hanson-Young, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, die mögliche Wende der Regierungspartei.

Der Environment Protection and Biodiversity Conservation (EPBC) Act, Australiens Rahmengesetzgebung für alle Regelwerke in Sachen Umwelt- und Naturschutz, stammt von 1999 aus der Ära des konservativen Expremierministers John Winston Howard. In der Praxis, besonders bei Genehmigungsverfahren für neue Bergbauprojekte, hat sich das Gesetz als recht unwirksam erwiesen. 2019 wurde ein Expertenteam unter Leitung von Professor Graeme Samuel von der Monash University mit einer reformorientierten Überprüfung beauftragt. Zum Team gehörte auch Wendy Craik, die 2016 bis 2020 Leiterin der nationalen Klimaschutzbehörde war. Auf Basis des Abschlussberichtes der vier Fachleute hatte Labor Ende 2022 erstmals seinen umfassenden Reformansatz »Nature Positive Plan« vorgestellt. Umweltschutz sollte endlich Priorität vor wirtschaftlichen Profitinteressen der Bergbaulobby haben. Ausdrücklich begrüßt hat diesen Ansatz etwa der Biodiversity Council. Die Gruppe der Experten aus elf Universitäten kritisierte aber schon vor den jüngsten Meldungen stark, dass die bisher angeschobenen Gesetzesinitiativen längst nicht ausreichend seien.

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