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Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Weltall

Nur als Gemeinschaftsaufgabe

Forscher gehen der Frage nach, wie die Erde gegen Einschläge von Himmelskörpern geschützt werden kann
Von Wolfgang Pomrehn
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Weiße Spuren am Himmel: Der Meteorit von Tscheljabinsk (15.2.2013)

Was tun, wenn ein Asteroid der Erde zu nahe kommt? Dieser Frage gehen Wissenschaftler des Beijing Institute of Spacecraft System Engineering im naturwissenschaftlichen Fachjournal Scientia Sinica Technologica nach. Hintergrund ihrer Arbeit ist, dass mit verbesserten Beobachtungsmethoden immer mehr Himmelskörper identifiziert werden, die der Erde zu nahe kommen könnten. Bislang sind bereits über 30.000 Asteroiden und kleinere Meteoriten katalogisiert, von denen etwa 2.400 als erdnah und damit potentiell gefährlich gelten. Laut NASA sind mehr als 90 Prozent aller erdnahen Himmelskörper mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer bekannt. Aber von den Körpern mit mehr als 140 Meter Durchmesser waren bis 2021 erst 40 Prozent entdeckt.

Als erdnah gelten Körper, deren geringster jemals beobachteter Abstand zur Erde weniger als 45 Millionen Kilometer beträgt. Das ist immer noch mehr als das Hundertfache des mittleren Abstandes zwischen Erde und Mond, aber in stellaren Dimensionen wenig. Die Bahnen der kleinen Himmelskörper sind nämlich erheblichen Schwankungen unterworfen, und daher schlägt immer wieder mal einer von ihnen auf unserem Planeten ein. Zuletzt im Februar 2013, als im Süden Sibiriens in der Nähe der russischen Stadt Tscheljabinsk ein später nach dieser benannter Meteor mit einem Durchmesser von 19 Metern niederging und explodierte. Mehr als 3.000 Gebäude wurden beschädigt, knapp 1.500 Menschen verletzt.

Nur 18 Stunden nach diesem Vorfall zog ein dreimal so großer Meteorit mit hoher Geschwindigkeit in 34.000 Kilometern Entfernung an der Erde vorbei. Die Geschwindigkeit dieser Objekte ist neben ihrer Masse das große Problem, weil sie gleichbedeutend mit hoher kinetischer Energie ist. Der Tscheljabinsk-Meteor war mit einer Geschwindigkeit von 19,2 Kilometer pro Sekunde auf die Erdatmosphäre getroffen. Seine Sprengkraft unter Berücksichtigung der Masse, des Materials und der Geschwindigkeit ist vergleichbar mit der von 440.000 Tonnen TNT oder etwa 34 Hiroshima-Bomben. Er war damit der größte Himmelskörper, mit dem die Erde in den vergangenen 100 Jahren kollidierte.

Der größte gut dokumentierte Einschlag ereignete sich im Juni 1908 in einer besonders abgelegenen Region im Norden Sibiriens. Dort explodierte ein Meteor in einer Höhe von fünf bis zehn Kilometern über der Erdoberfläche (»Tunguska-Ereignis«). Die Kraft der Explosion ließ noch in mehreren hundert Kilometern Entfernung Bäume umstürzen und tötete Hunderte Rentiere. Von Todesopfern unter den Bewohnern der Region ist nichts bekannt. Es wird geschätzt, dass dieser Himmelskörper eine Masse von 100.000 Tonnen und einen Durchmesser von 37 Meter hatte.

Eine ähnliche Explosion heute über einer der zahlreichen Metropolregionen hätte mit Sicherheit katastrophale Folgen, und dennoch war dieser Einschlag klein im Vergleich zu prähistorischen Ereignissen. Im US-Bundesstaat Arizona etwa gibt es einen gut erhaltenen, 180 Meter tiefen und 1.200 Meter weiten Einschlagskrater, den vor 50.000 Jahren ein Eisen-Nickel-Meteor geschlagen hat. Der möglicherweise folgenschwerste Aufprall der Erdgeschichte ereignete sich jedoch vor rund 65 Millionen Jahren, als ein Asteroid auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan aufschlug und den 300 Kilometer weiten Chicxulub-Krater hinterließ. Der aufgewirbelte Staub sorgte seinerzeit für dramatische Abkühlung und das Aussterben von 75 Prozent aller Arten, darunter die Dinosaurier.

Um künftigen Bedrohungen durch Asteroiden oder die kleineren Meteoriten zu begegnen, sind, so die chinesischen Forscher, verschiedene Methoden denkbar, die nicht zuletzt von der Vorwarnzeit und natürlich der genauen Kenntnis der bisherigen Bahn des Himmelskörpers abhängen. Genannt werden unter anderem der Beschuss mit Ionen- oder Laserstrahlen, mit Raketengeschossen oder auch Nuklearexplosionen. Ziel wäre meist, den Körper so weit abzulenken, dass er die Erde deutlich verfehlt. Grundsätzlich gilt dabei: Je kürzer die Vorwarnzeit, je näher also der Asteroid oder Meteorit der Erde bereits ist, desto mehr Energie muss aufgewendet werden, um ihn in ausreichendem Maß aus der Bahn zu werfen. Bei sehr langen Vorwarnzeiten von etwa 50 Jahren und nicht zu großer Masse ist, so eines der Ergebnisse, auch denkbar, mit dem Strahlungsdruck der Sonne zu arbeiten. Große Reflektoren könnten Sonnenlicht auf den Himmelskörper umlenken, und der Druck würde dessen Bahn so weit verändern, dass er nicht auf die Erde trifft. Der Strahlungsdruck unseres Zentralgestirns ist zwar relativ klein im Vergleich zu den Gravitationskräften, doch groß genug, dass er auch für die Bahnen von Satelliten und erdnahen Raumschiffen eine Rolle spielt.

Auch die Masse der Körper spielt eine wichtige Rolle. Bei den größten Asteroiden mit 1.000 und mehr Metern Durchmesser reicht nicht einmal eine Vorwarnzeit von fünf Jahren für eine Ablenkung mit dem stärksten Mittel, dem Beschuss mit Atomraketen. Dafür sind schon eher 15 Jahre nötig. Trennen den bedrohlichen Brocken nur noch sieben Tage von der Erde, können ihn Atomsprengköpfe nur noch ausreichend ablenken, wenn er nicht mehr als 50 Meter Durchmesser hat.

An dieser Stelle kommt dann allerdings auch eine Risikoabwägung ins Spiel. Derartige Meteoriten, das haben der Einschlag bei Tscheljabinsk und das Tunguska-Ereignis 1908 gezeigt, richten nur lokale Schäden an. Angesichts dessen, dass die Erde zu 70 Prozent von den Ozeanen bedeckt ist und die Fläche der großen Metropolen insgesamt im Verhältnis zur ganzen Erdoberfläche sehr klein ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit großer Schäden äußerst gering.

Letztlich gehört also die Asteroidenabwehr nicht zu den dringlichsten Aufgaben, vor denen die Menschheit steht, wird aber künftige Generationen dennoch beschäftigen. Klar wird, dass sie nur als Gemeinschaftsaufgabe denkbar ist, insbesondere, wenn dafür Atomwaffen im Weltraum stationiert werden müssten. Letzteres bleibt derzeit noch aufgrund internationaler Verträge aus gutem Grund verboten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Fjerritslev (9. September 2024 um 22:09 Uhr)
    Ich gehe mal davon aus, dass der Einsatz von Atombomben zur Asteroidenabwehr eher Rekrutenlatein ist. Die erste und wichtigste Maßnahme ist die Entdeckung und Registrierung der Asteroiden. Die Aufgabe lautet: Die Kenntnis der gefährlichen Objekte in Richtung hundert Prozent zu bringen. Wenn ihre Bahnelemente und die Größe bekannt sind, kann man sich Gedanken machen, ob und wann eine gefährliche Annäherung stattfinden könnte. Da könnte sich die chinesische Mondmission zur erdabgwandten Seite des Mondes als nützlich erweisen. Die Asteroiden sind optisch sehr schwer identifizierbar (dunkel, weit weg) und könnten mit Infrarotdetektoren von der »Mondrückseite« aus aufgespürt werden. Je nach Größe eines gefährlichen Teils kämen dann Ablenkungsmanöver mittels Strahlung (»Lichtdruck«) oder Gravitation in Frage. Die gravitative Wirkung könnte durch einen schweren Satelliten oder Beeinflussung eines (leichteren) Begleiters des fraglichen Objekts sein. Auch hier ist Zeit Geld … Je früher die Gefahr erkannt ist, desto länger hat man Zeit, sie zu eliminieren.

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