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Aus: Ausgabe vom 19.09.2024, Seite 1 / Titel
Libanon und Syrien

Israels Terrorbotschaft

Libanon: Nach beispiellosem Cyberanschlag erneuter Angriff mittels explodierender Funkgeräte. Insgesamt Tausende Verletzte. Hisbollah meldet Gegenschlag
Von Wiebke Diehl
Beirut am Mittwoch: Tausende Menschen mit schwersten Verletzungen füllen die Krankenhäuser
Mittwoch vor einem Handyshop im libanesischen Sidon

Israel hat am Mittwoch nachmittag erneut Kommunikationsgeräte der libanesischen Hisbollah ins Visier genommen. Agenturen meldeten bis jW-Redaktionsschluss 100 Verletzte und drei Tote durch explodierte Funkgeräte im Süden des Landes und der Hauptstadt Beirut. Zuvor hatte die Hisbollah in Reaktion auf den Anschlag vom Vortag israelische Militärstellungen mit Raketen angegriffen. Mindestens zwölf Tote, darunter ein achtjähriges Mädchen und ein elfjähriger Junge, und etwa 2.800 Verletzte – so das Resultat der Explosion von rund 3.000 Funkempfängern am Dienstag um 15.30 Uhr Ortszeit im Libanon und in Syrien. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministers Firas Abiad schwebten am Mittwoch noch rund 300 Menschen in Lebensgefahr. Unter den zahlreichen verletzten Zivilisten befand sich auch der iranische Botschafter im Libanon, Mojtaba Amani.

Laut einem Bericht von Al-Monitor hatten Hisbollah-Mitglieder kurz zuvor entdeckt, dass die Pager, über die die Gruppe anstelle von Mobiltelefonen kommuniziert, um nicht geortet werden zu können, offenbar auf dem Weg in den Libanon abgefangen und manipuliert worden waren. Tel Aviv habe Geheimdienstinformationen erhalten, dass die Manipulation der Geräte mit Sprengstoff aufgeflogen sei, das israelische Verteidigungsministerium habe sich daraufhin zu einer vorzeitigen Durchführung des Angriffs entschieden. Eigentlich hätten Tausende von manipulierten Pagern im Falle eines offenen Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah zur Explosion gebracht werden sollen. »Es war ein Moment, in dem man es entweder nutzt oder verliert«, so ein US-amerikanischer Beamter gegenüber Axios.

Die Hisbollah drohte in mehreren Stellungnahmen mit Vergeltung. Man mache Israel, das sich selbst nicht äußerte, »in vollem Umfang« verantwortlich. Die seit fast einem Jahr andauernden Angriffe auf Israel würden weitergehen und seien »unabhängig von der schwierigen Abrechnung, die der kriminelle Feind für sein Massaker am Dienstag zu erwarten hat«. Am Donnerstag will sich Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah in einer Ansprache zu den Ereignissen äußern.

Unklar bleibt derweil die US-amerikanische Rolle bei dem Angriff, den der iranische Außenamtssprecher als »Massenmord« an libanesischen Bürgern bezeichnete. Das US-Außenministerium bestritt, beteiligt oder auch nur im Vorfeld informiert gewesen zu sein. Axios hatte hingegen berichtet, der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant habe seinen US-Kollegen Lloyd Austin wenige Minuten vor der Explosion der Pager in den südlichen Vororten Beiruts, im Süden des Landes und im östlichen Bekaa-Tal angerufen und ihm mitgeteilt, Israel werde bald eine Operation im Libanon durchführen.

Das taiwanesische Unternehmen Gold Apollo, mit dessen Firmenlogo die Pager versehen waren, erklärte am Mittwoch, die Geräte seien von seinem ungarischen Partner BAC hergestellt worden. Das in Budapest ansässige Unternehmen nutze seine Marke, das Design und die Herstellung der Produkte lägen aber ausschließlich in den Händen von BAC. Am dortigen Firmenstandort erklärte eine Frau gegenüber Journalisten, das Gebäude gehöre einem Unternehmen, das virtuelle Geschäftsadressen anbiete. Die BAC-Geschäftsführerin, die sich auf AFP-Nachfrage nicht äußern wollte, scheint laut der Nachrichtenagentur nach den juristischen Unterlagen die einzige Angestellte der 2022 gegründeten Firma zu sein.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (19. September 2024 um 11:42 Uhr)
    Dieser Angriff Israels ist genauso mörderisch und barbarisch wie der Angriff der Hamas auf Israel. Faschistoider Hightechstaatsterrorismus. In beiden Fällen wurden überwiegend völlig wehrlose Zivilisten getroffen und als Zielscheibe gewählt oder Kauf genommen. Es gibt offensichtlich beim totalen Krieg gegen den Feind keine moralischen oder ethischen Barrieren. Auf keiner Seite. Was den Angriff Israels mittels der mit Sprengstoff versehenen Pager beinahe noch schlimmer macht, als es der Angriff der Hamas war: Hier agiert ein Staat, ein Staat, der nicht aus einer Position der permanenten Unterlegenheit und Chancenlosigkeit heraushandelt, sondern ein Staat, der die stärkste militärische Macht der Region darstellt. Und der für sich in Anspruch nimmt, ein Hort der »westlichen Werte« in der Region zu sein. Ebenso mies und beschämend, wie dieser faschistoide Terror Israels (islamistisch kann er ja nicht genannt werden), ist die unglaublich relativierende und verniedlichende Darstellung in den Staats- und Konzernmedien. Nicht annähernd die Wortwahl, wie sie gegenüber Russland üblich und wohl vorgegeben ist, nicht annähernd die Wortwahl, wie sie gebraucht wurde, als Hamas vergleichbares Tat. Teils klingt sogar Bewunderung über das neue famose Husarenstück Israels durch. Ein Israel, welches immer noch mit immer wieder neuen deutschen Waffen und deutschem diplomatischen Support seine Unrechtskriege führt, einen Genozid vor unseren Augen ausführt und sein Besatzungsregime aufrechterhält.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (19. September 2024 um 07:22 Uhr)
    Israel bekämpft den Terror? Nein, Israel terrorisiert Zivilisten – im Gazastreifen, im Libanon, im Westjordanland. Und wundert sich, wenn der Terror zurückkommt. Israel beruft sich auf sein Selbstverteidigungsrecht, hat das der Libanon oder haben die Palästinenser nicht? Erwartet die israelische Regierung wirklich, dass die von ihr jetzt so terrorisierten Menschen dem alten Bibelspruch folgen: »Wenn Dir einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere hin.« (Matthäus 5, Vers 39) Doch in Hosea 8, Vers 7 steht: »Wer Wind sät, wird Sturm ernten«. Genug Hinweise auf die Bibel und die Thora. Dieser Terrorismus der israelischen Regierung ist Thema bei der UN-Vollversammlung von gestern. Deutschland enthält sich gemeinsam mit 43 Staaten, 14 Staaten lehnen diese Resolution ab (darunter – natürlich – Israel und die USA). Jedoch 124 Staaten stimmten für einen Rückzug Israels aus den Palästinensergebieten. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon spricht dann von palästinensischem »UN-Zirkus, in dem das Böse gerecht ist, Krieg, Frieden, Mord gerechtfertigt ist und Terror beklatscht wird« (Zitat von Tagesschau.de vom 18.09.2024, 20:54 Uhr). Noch ein Spruch: »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.« Die deutsche Regierung sitzt durch ihre Politik mit in diesem Glashaus und das muss endlich geändert werden. Kampf gegen Antisemitismus ist Staatsräson – der Kampf gegen Terrorismus, egal von wem er ausgeht, sollte das auch werden.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. September 2024 um 21:40 Uhr)
    Man stelle sich vor, ein Mobilgerät könnte theoretisch als ferngesteuerte Bombe dienen, die ihren Benutzer tötet oder verstümmelt. Im Normalfall erscheint dies unwahrscheinlich, da solche »Winzling-Akkus« kaum genug Schaden durch Überhitzung verursachen könnten. Doch was wäre dann erst bei den Batterien von E-Autos möglich? Selbst die besten Cyberexperten unterliegen den Gesetzen der Physik, Chemie, Thermodynamik und Technik. Aus diesem Grund halte ich es für ausgeschlossen, dass eine Vielzahl von Standardgeräten gleichzeitig mit einem einzigen Befehl explodiert. Die einzig plausible Erklärung wäre, dass die Geräte der Zielpersonen im Voraus auf irgendeine Weise mit Sprengstoff versehen wurden. Diese kleinen Geräte aus Taiwan wurden in Ungarn montiert und anschließend in den Libanon geliefert. Es ist jedoch bei so kleinen Geräten unüblich, eine getrennte Teillieferung und einen besonders günstigen Zusammenbau vorzunehmen. Fakt ist: Das Pager-Netzwerk der Hisbollah wurde als Waffe gegen die islamistische Organisation eingesetzt. Die Hisbollah beschuldigt den israelischen Geheimdienst Mossad. Die Pager waren neu angeschafft worden, nachdem Mobiltelefone als zu riskant eingestuft worden waren.

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