Washington zu Diensten
Von Thomas BergerZumindest in der internationalen Berichterstattung ist es zuletzt deutlich ruhiger geworden um Bangladesch. Noch im Juli und August stand das Land mit den studentischen Massenprotesten und schließlich dem Sturz der seit 15 Jahren regierenden Premierministerin Scheich Hasina im medialen Rampenlicht. Für erneutes Interesse sorgte am Wochenende der Besuch einer US-Delegation in Dhaka. Dabei hat die United States Agency for International Development (USAID), der verlängerte Arm der Außenpolitik Washingtons, dem südasiatischen Land Finanzhilfen in Höhe von 202 Millionen US-Dollar zugesagt. Es handle sich, wie am Sonntag nach der Vertragsunterzeichnung im staatlichen Gästehaus in der Hauptstadt Dhaka mitgeteilt wurde, um Unterstützung für Maßnahmen in den drei Bereichen »gute Regierungsführung«, »soziale und ökonomische Chancen« sowie »Resilienz«. Nähere Maßnahmen unter diesen Schlagworten wurden noch nicht benannt.
Die Unterschrift erfolgte im Beisein von Salehuddin Ahmed, der im Rahmen der aus neoliberalen Beamten, Vertretern aus Wissenschaft und NGO-Sektor gebildeten Übergangsregierung als faktischer Minister für Finanzen, Handel und Wissenschaft wirkt. Von US-amerikanischer Seite waren als ranghöchste Abgesandte Donald Lu, Abteilungschef für Süd- und Zentralasien im US-Außenministerium, und Brent Neiman, im Finanzministerium Leiter für Internationale Finanzen, präsent. Die staatliche Agentur für Entwicklungszusammenarbeit mischt schon länger vielfältig in Bangladesch mit, formell wurde mit den 202 Millionen also nur auf das bestehende USAID-Partnerschaftsabkommen »draufgesattelt«.
Dabei sollte die politische Komponente nicht unterschätzt werden. Die USA befinden sich im globalen Machtkampf mit China, das nicht nur im Zuge des Megainfrastrukturprojekts »Neue Seidenstraße« (alias »Belt and Road Initiative«, BRI) Milliardensummen in zahlreiche Kooperationsprojekte in die Nachbarländer Pakistan, Sri Lanka und Nepal investiert hat und weiter steckt sowie zunehmend auf den Malediven aktiv wird, sondern auch gute Beziehungen zu Hasina unterhielt. Diese hatte sich in den Monaten vor ihrem Sturz vermehrt kritisch gegenüber den USA geäußert. Unklar ist nach wie vor, wie stichhaltig ihr zugeschriebene Vorwürfe sind, Washington wäre direkt in ihre Entmachtung verwickelt gewesen. Unstrittig scheint aber, dass es wohl Drohungen gab. Die USA haben in Südasien in jüngerer Zeit viel an einstigem Einfluss verloren, das zeigen nicht nur die Beispiele Pakistan oder das wieder in die Hände der radikalislamischen Taliban gefallene Afghanistan. Sogar Indien unter Premier Narendra Modi, das es sich mit keiner Großmacht verscherzen will und sich kraft der eigenen Bevölkerungszahl und wirtschaftlichen Booms tendenziell selbst als solche begreift, gilt als »unsicherer Kantonist«. Mit dem erneut ins Weiße Haus strebenden Expräsidenten Donald Trump pflegte Modi zu dessen Amtszeit ein sehr gutes persönliches Verhältnis.
Dafür steht Interimspremier Muhammad Yunus, der für seinen Mikrokreditansatz den Friedensnobelpreis erhalten hat, im Ruf, US-nah zu sein. Außenminister Antony Blinken war einer der ersten ranghohen Auslandsvertreter, die nach seiner Vereidigung am 8. August gratulierten. Rund eine Stunde soll sich Yunus nun mit der US-Delegation getroffen haben. Laut Berichten wurde dabei ein breites Spektrum an Einzelthemen erörtert. Unter anderem erhoffe man sich Hilfe dabei, dunkle Finanzströme trockenzulegen und von mit der früheren Regierung verbundenen Personen außer Landes geschaffte Geldbeträge zurückzuholen. Die Dhaka Tribune schreibt, das FBI solle beim Aufspüren von 8,37 Milliarden US-Dollar behilflich sein. Einige dieser Transaktionen seien bei Sajeeb Wazed Joy, Hasinas in den USA lebendem Sohn, zu verorten. Laut der indischen Nachrichtenagentur PTI soll Yunus in diesem Zusammenhang von einem »Ozean der Korruption« gesprochen haben, den es trockenzulegen gelte.
Darüber hinaus geht es um »Wiederbelebung der Wirtschaft«, eine Reform des Polizei- und Justizapparates und vieles mehr. Das »Team Yunus«, dem auch führende Vertreter der Studentenbewegung direkt angehören, soll nach Auftragsbeschreibung nicht nur in einer kurzen Übergangszeit für Ordnung sorgen und ein paar Köpfe austauschen, sondern grundlegende Neujustierungen für die Zukunft des Landes vornehmen. Das umfasst demokratische Mitgestaltung, Respektierung der Menschenrechte, unabhängige Gerichtsbarkeit, effektive Kontrollmechanismen und verantwortliches Regierungshandeln.
Dass es diesbezüglich auch in den USA viele Mängel gibt, tut für die Strategen in Washington nichts zur Sache, sofern man sich den momentan in Dhaka Regierenden bei dieser Reformagenda als Partner andienen und perspektivisch neuen Einfluss sichern kann. Bereits vor dem Gespräch mit Yunus traf die Delegation mit Mohammad Touhid Hossain, faktischer Außenminister der Interimsadministration, zusammen. Bei einem Arbeitslunch waren Vertreter mehrerer Ministerien dabei. Beratungen fanden ebenso mit dem neuen Zentralbankchef Ahsan H. Mansur statt. »Wir unterstützen Bangladeschs Weg in Richtung erneuerter Dynamik und Wachstum«, schrieb die US-Botschaft in Dhaka anschließend in einem Post auf X.
Hintergrund: Rechte drängeln
Die Freilassung der unter Hausarrest stehenden Oppositionsführerin Begum Khaleda Zia war nach dem Sturz von Premierministerin Scheich Hasina eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Mohammed Shahabuddin. Die Spitzenpolitikerin, 1991–1996 und 2001–2006 an der Spitze der Regierung stehend, war mehr als drei Jahrzehnte lang die wichtigste Gegenspielerin Hasinas. Ihre rechtskonservative Bangladesh Nationalist Party (BNP) hatte sich nach der »Studentenrevolution« und Einsetzung der Interimsadministration unter »Chefberater« Muhammad Yunus zunächst in Zurückhaltung geübt. Damit scheint es vorbei.
Am 15. September meldete sich BNP-Generalsekretär Mirza Fakhrul Islam Alamgir mit der Behauptung zu Wort, rund um Hasinas Sturz habe es 875 Tote gegeben – »mindestens 422 davon« aus den Reihen seiner Partei. Über 100 weitere BNP-Aktivisten hätten durch Polizeigewalt ihr Augenlicht verloren. Fakhrul verstieg sich zudem zu der Aussage, die BNP habe eine »organisatorisch entscheidende Rolle« beim Aufstand gespielt. Zwar gab es seit Mitte Juli auch Massenverhaftungen gegen die größte Oppositionspartei. Diese versucht aber ihren Anteil am Umsturz, der vorrangig auf das Konto einer nicht parteigebundenen Jugendbewegung geht, deutlich aufzuwerten. Dabei hat die BNP bereits die späteren Neuwahlen im Blick, bei denen die Konservativen stärkste Kraft werden wollen.
Der Druck aus dieser Richtung wächst: Man werde nicht zulassen, dass die Interimsregierung auf unbestimmte Zeit im Amt bleibe, wurde Fakhrul am Montag von der Tageszeitung The Daily Star zitiert. Schon am 12. und am 29. August – jeweils nach Treffen mit Yunus – hatte der BNP-Generalsekretär ähnlich klar auf baldige Neuwahlen gedrängt. Die Rechten haben, illustrieren Nebensätze im jüngsten Statement, offenbar Angst vor zu tiefgreifenden Reformen: Solches obliege nur einem künftigen Parlament, betonte er. (tb)
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