Modis Ärger mit Hasina
Von Thomas BergerIndiens Premier Narendra Modi mag nicht wirklich glücklich sein über einen besonderen Gast, der sich seit mehr als einem Monat ohne direkte Einladung im Land aufhält und nicht so bald zu verschwinden scheint. Nach dem Sturm auf den Regierungssitz in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka am 5. August war die gestürzte Regierungschefin Scheich Hasina umgehend ins große Nachbarland ausgeflogen worden. Eigentlich sollte Indien da nur eine Zwischenstation sein. Doch die Weiterreise der langjährigen Premierministerin nach Großbritannien, wo sie Verwandtschaft hat, wurde ihr aus London verwehrt, auch ein US-Visum zurückgezogen. Mittlerweile sitzt sie fest, weil die Interimsadministration in der Heimat ihren Reisepass für ungültig erklärt hat.
Indien ist traditionelle Schutzmacht Bangladeschs, verhalf diesem überhaupt erst 1971 durch militärischen Beistand zur finalen Unabhängigkeit. Insofern erschien es folgerichtig, Hasina vorläufig Zuflucht zu gewähren, auch wenn ihr die gegenwärtige hindu-nationalistische BJP-Regierung ideologisch weniger nahesteht als die oppositionelle Kongresspartei (INC) mit ähnlich sozialliberaler Ausrichtung wie ihre daheim bisher regierende Awami-Liga (AL).
Doch der Fall droht für Modi diplomatisch ungemütlich zu werden. Bereits am 8. September hatte Mohammed Tajul Islam, der neuernannte Chefankläger am Sondergerichtshof (International Crimes Tribunal, ICT) in Dhaka vor der Presse angekündigt, einen Auslieferungsantrag vorbereiten zu wollen. »Als Hauptangeklagte der Massaker« soll Hasina in der Heimat vor Gericht gestellt werden. Das ICT werde deshalb die entsprechenden Schritte unternehmen, um einen solchen Prozess zu ermöglichen, sagte Islam. Ausdrücklich erwähnte er bei dieser Pressekonferenz das 2013 zwischen beiden Ländern geschlossene Auslieferungsabkommen. Dieses würde es Modi schwermachen, sich einem formellen Ersuchen aus Dhaka zu widersetzen, zumal die bilateralen Beziehungen derzeit ohnehin angespannt sind.
Das ICT war von Hasina selbst 2010 eingerichtet worden, um damit Verbrechen aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges 1971 aufzuarbeiten. Nun ermittelt das Sondergericht wegen der zahlreichen Opfer, die es seit den im Juli begonnenen Massenprotesten von Studierenden (zunächst nur gegen eine umstrittene Reservierungsquote für Jobs im Staatsdienst, dann zu ihrem Rücktritt) gegeben hat. Laut den jüngsten, abermals nach oben korrigierten Schätzungen soll es in diesem Zusammenhang rund 600 Tote gegeben haben. Eltern und andere Angehörige haben inzwischen Anzeige erstattet. Allein am vergangenen Wochenende, teilte das ICT mit, kamen nochmals fünf weitere hinzu.
Hasina ist jeweils als Hauptverantwortliche für die exzessive Gewalt durch Einsatzkräfte, aber auch der Exregierungspartei nahestehende Gruppen genannt. 89 Fälle, so die Dhaka Tribune, sind inzwischen gegen die 76jährige anhängig. Anklagen werden aber ebenso gegen über 300 weitere Personen vorbereitet. Darunter sind etwa der Generalsekretär ihrer Partei, Obaidul Quader, und mehrere Exminister und Abgeordnete, die sich derzeit in Untersuchungshaft befinden. Am Montag waren zudem zwei prominente Journalisten festgenommen worden – Shyamal Dutta, leitender Redakteur der bengalisprachigen Tageszeitung Bhorer Kagoj, und Mozammel Babu, Direktor von Ekattor TV, einem der größten Fernsehsender.
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