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Aus: Ausgabe vom 19.09.2024, Seite 6 / Ausland
Polen

Wassermassen erreichen Parteipolitik

Polen: Höhepunkt von Fluten erreicht – Folgenbekämpfung beginnt. PiS nutzt Krise
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
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Soldaten mit Sandsäcken am Mittwoch in Wrocław

In Polen hat die Hochwasserwelle der Oder und ihrer Nebenflüsse den Höhepunkt erreicht. Der Wetterdienst meldet, dass in den nächsten Tagen im Überschwemmungsgebiet keine weiteren Niederschläge zu erwarten seien. Dafür wälzen sich die Wassermassen jetzt die Flussbetten abwärts. Am Mittwoch mittag erreichte der Höhepunkt der Wassermassen auf der Oder die Stadt Oława, knapp 30 Kilometer oberhalb von Wrocław. Für die Hauptstadt der Region Niederschlesien wurde er für den späten Mittwoch abend erwartet.

Gleichzeitig fließt aber auch in dem nahe Wrocław in die Oder einmündenden Nebenfluss Bystrzyca Kłodzka das Wasser mehr oder minder unkontrolliert ab. Ein Stausee am Oberlauf dieses Flusses wurde auf »Durchlauf« gestellt; die Betreibergesellschaft teilte mit, er gebe ebensoviel Wasser ab, wie ihm zufließe. Die Folge ist, dass in einigen Neubausiedlungen in Wrocław die Befürchtung wächst, das Wasser der Bystrzyca könnte in die Anlagen eindringen. Unterstützt von Feuerwehrleuten waren Bewohner der Siedlungen am Mittwoch dabei, Sandsackwälle aufzustapeln. Kritisch ist die Lage auch weiter flussaufwärts, wo mehrere Dörfer zwischen der Oder und dem Unterlauf der Nysa Kłodzka eingeklemmt und somit von zwei Seiten bedroht sind. Die in einem dieser Dörfer eingesetzten Feuerwehrleute baten über soziale Netzwerke Kollegen aus anderen Landesteilen um »trockene Schuhe der Größen 39 bis 44«. Ihre eigenen seien nach vier Tagen pausenlosem Fluteinsatz völlig durchweicht und nicht mehr gebrauchsfähig.

In der stark beschädigten Stadt Głuchołazy nahe der tschechischen Grenze begannen Pioniereinheiten der polnischen Armee mit den Vorbereitungen für den Bau einer Notbrücke. Das Wasser hatte dort beide bestehenden Brücken weggerissen. Wie der zuständige Offizier gegenüber dem Sender Polsat News erklärte, dauert der eigentliche Bau wenige Tage; zuvor müssten aber die im Fluss liegenden Trümmer der alten Brücke geborgen und abgefahren werden. Dies verzögere die Arbeiten enorm. In der Stadt Kłodzko, südlich von Wrocław, wo das Wasser inzwischen zurückgegangen ist, meldete sich die örtliche Abteilung der Territorialverteidigung der polnischen Armee mit der Mitteilung auf X, sie »habe die Ehre, jetzt beim Aufräumen im Kloster der Klarissen der Ewigen Anbetung« zu helfen. Die Territorialverteidigung ist ein politisches Kind der vormals regierenden rechten PiS.

Unterdessen gab die Regierung den nachgeordneten Behörden die Anweisung, in den Notstandsgebieten amtliche Preise für einige der nötigsten Lebensmittel und Baumaterialien festzusetzen. Es sei »leider nicht auszuschließen«, dass einige Unternehmer versuchten, die »Not anderer zu ihrem Vorteil auszunutzen«. Bei Verstößen gegen die Höchstpreise drohen den Verkäufern Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes.

Politisch blieb nicht aus, dass das Hochwasser und seine Folgen in den Strudel der parteipolitischen Auseinandersetzungen gezogen wurden. Die im Oktober abgewählte PiS warf der Regierung von Donald Tusk vor, die Katastrophe nicht vorausgesehen zu haben und inkompetent mit ihr umzugehen. Dass Tusk die Sitzungen des Krisenstabs im Fernsehen übertragen lasse, zeige, dass es ihm mehr um PR als um Krisenmanagement gehe. Der Ministerpräsident zeichnete seinerseits sechs Beschäftigte der Städtischen Wasserwerke von Jelenia Góra mit Medaillen aus, die ohne alle mechanischen Hilfsmittel, nur mit Rechen, Schaufeln und Sand, die Trinkwasserbrunnen der Stadt vor der Überflutung geschützt und so die Wasserversorgung der Stadt gesichert hatten.

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