Aus für Chiles größtes Stahlwerk
Von Volker HermsdorfAm Montag morgen um 2.20 Uhr war Schluss. Nach 74 Jahren wurden die Hochöfen im größten Stahlwerk Chiles abgeschaltet. Die 2.700 Arbeiter der Huachipato-Fabrik verlieren ihre Jobs. Mehr als 20.000 weitere Arbeitsplätze in der rund 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago gelegenen Biobío-Region gehen verloren. Örtlichen Medien zufolge wird sich die Schließung des von der CAP-Holding betriebenen Werks auf mindestens 1.090 kleine und mittlere Unternehmen in der Gegend auswirken.
Das Werk war unter anderem ein wichtiger Lieferant für die Kupferbergbauindustrie des südamerikanischen Landes. Auch die – wie Huachipato – in der knapp 150.000 Einwohner zählenden Stadt Talcahuano gelegene Marinewerft Asmar bezog ihren Stahl von dort.
Hauptgrund der Schließung ist nach Angaben von CAP die Konkurrenz aus China. Stahlimporte von dort seien rund 40 Prozent günstiger. In den vergangenen zwei Jahren habe das Huachipato-Werk Verluste von über 500 Millionen US-Dollar angehäuft. Wegen des Wettbewerbsdrucks aus China hätten sich Preiserhöhungen nicht durchsetzen lassen. Eine sich seit zwölf Jahren abzeichnende Absatzkrise habe sich weiter verschärft, der Betrieb des Werks sei endgültig unrentabel geworden, so das Unternehmen.
An der Entscheidung zur Schließung konnten auch von der Regierung verhängte Zölle auf chinesische Stahlimporte nichts mehr ändern. Seit Anfang des Jahres werden vorübergehend Zölle in Höhe von 25 bis 34 Prozent erhoben. Chiles Wirtschaftsminister Nicolás Grau nannte es »unverantwortlich«, dass die CAP-Holding die »durch die Zölle geschaffenen neuen Marktbedingungen« nicht genutzt habe.
Nach Abschaltung der Hochöfen wird die Produktion nun schrittweise heruntergefahren. Mitte Oktober soll mit der Kokerei der letzte Bereich stillgelegt werden. »Es ist ein unerwarteter Tod, mit dem niemand in der Region gerechnet hat«, erklärte Héctor Medina, Vorsitzender der »Gewerkschaft Nummer eins«, gegenüber der spanischen Agentur Efe. Er fühle sich »wie bei einer Beerdigung. Zunächst halten wir die Totenwache, dann werden sie uns begraben«, so der Gewerkschafter, der 30 Jahre im Werk gearbeitet hat.
Chiles größter Stahlhersteller ist aus der Region Biobío kaum wegzudenken. Die Eröffnung des Werks im November 1950 stand am Anfang einer Entwicklung, die unter dem Schlagwort »Gran Concepción« in die Geschichtsbücher einging. Der mit rund 1,1 Millionen Einwohnern zweitgrößte Ballungsraum des Landes nach der Hauptstadtregion wurde zum zweitwichtigsten Wirtschaftszentrum.
Nach der Werkschließung kann Stahl in Chile nur noch durch Recycling von Metall produziert werden. Die Abschaltung der Hochöfen weckte »Zweifel an der Zukunft des Landes als Industriestandort«, schrieb das Investmentportal invezz.com. Der Verlust »eines so bedeutenden Unternehmens und Zulieferers für die Bergbauindustrie könnte schwerwiegende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben. Chile muss sich mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen und neue Strategien zum Schutz und zur Wiederbelebung seiner industriellen Basis entwickeln.«
Wie auf Stichwort stellte das Wirtschaftsministerium Anfang der Woche einen nach dem Minister benannten »Grau-Plan« vor. Der zielt darauf ab, die Auswirkungen der Werkschließung abzumildern und das produzierende Gewerbe in der Region kurz- und mittelfristig zu stärken. 32 Maßnahmen sollen dazu beitragen, »Investitionen zu beschleunigen«, um »hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen«. Verschiedene Sektoren werden aufgeführt, darunter Forstwirtschaft, Fischerei, Metallverarbeitung, Verkehr, Dienstleistungen und Energie. Der Plan sei das Ergebnis eines Anfang 2024 begonnenen Dialogs zwischen Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, Hochschulen und Regional- und Zentralregierung, berichtete Radio Biobío. Laut der kubanischen Agentur Prensa Latina gab es in der Region Kritik, weil der »Grau-Plan« eine »Fülle von Allgemeinplätzen ohne jeden praktischen Bezug« enthalte, während »konkrete finanzielle Maßnahmen« weitgehend fehlten.
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