Der Vorleser
Von Peter MergEs wird Sie, liebe Zeitungsleser, wohl so überraschen wie uns, doch man muss sich heute offenbar sehr einen abbrechen, um Leute zum Lesen zu animieren: Die Stiftung Lesen etwa wirbt nun damit, dass Vorlesen auch gegen Populismus helfe. »Vorlesen alleine ist sicher kein Schutzwall gegen Populismus, es erhöht aber das Verständnis, die Empathie und die emotionale Bindung zwischen Kindern und Erwachsenen«, ringt der Hauptgeschäftsführer der Stiftung, Jörg F. Maas, gegenüber der dpa um Argumente. Der Vorlesemonitor 2023 zeige: In vier von zehn Familien werde nicht regelmäßig vorgelesen. Damit fehlten Gelegenheiten für Gespräche über gesellschaftliche und politische Themen sowie über Ängste und Erlebnisse der Kinder. Da stellen sich Fragen: Wird meine Tochter nicht BSW wählen, weil ich ihr wie verlangt fünfmal in Folge dasselbe Pixie-Buch vorlese (mit wechselnder Betonung)? Oder wird sie eine Faschistin, wenn ich es nicht tue? Ein schrecklicher Verdacht kommt auf: Auch Hitler könnte etwas geschrieben haben.
Aber genug gelästert: Derzeit wird in deutschen Schulen und Kitas von rund 150.000 Ehrenamtlichen regelmäßig oder sporadisch vorgelesen. »Wir wollen diese Zahl deutlich erhöhen«, sagte Maas zum Start einer Internetkampagne der Stiftung mit dem Titel #MachMitLiesVor, um mehr Lesepaten zu gewinnen. »Es müsste so viele freiwillige Vorleserinnen und Vorleser wie Feuerwehrleute geben.« Das heißt: mehr als eine Million. Halten Sie sich ran.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. September 2024 um 08:44 Uhr)Lesepaten in der Schule sind nicht unbedingt Vorleser. Bei den Berliner Lesepaten, zu denen auch ich gehöre, geht es vorrangig um die Förderung der Lesefähigkeiten der Kinder. Die Kinder lesen, wir hören zu, machen Mut, fördern die Lust aufs Weiterlesen, helfen und korrigieren. Nur manchmal, in den Pausen vielleicht, lese ich den Kindern etwas vor: Kurzgeschichten oder etwas aus spannenden Büchern. Der Lohn für all das: Kein einziges Kind hat in den vergangenen zehn Jahren die von mir betreuten ersten beiden Klassen verlassen, ohne ausreichend lesen zu können. Wenn ich beim Eintritt in die Klasse sofort von fünf, sechs Kindern umringt werde, weil sie mir unbedingt vorlesen wollen: Wie schön ist das!
Mehr aus: Feuilleton
-
Die Zeit meines Lebens
vom 19.09.2024 -
Die Ambivalenz der Schönheit
vom 19.09.2024 -
Tanz auf der Rasierklinge
vom 19.09.2024 -
Nachschlag: Ein Hauch »Afrika«
vom 19.09.2024 -
Vorschlag
vom 19.09.2024