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Aus: Ausgabe vom 19.09.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Harmlos wie Wagner?

Zu jW vom 13.9.: »Wie der Gedanke wirklich wird«

Der Artikel bringt den Lesern von junge Welt viel Wissenswertes über Schönberg nahe, möchte sie jedoch anscheinend nicht erschrecken. Weil wir uns ja gerade wieder in einer ähnlichen Situation befinden, zitiere ich einen Brief Schönbergs, den er 1914 an Alma Mahler-Werfel schrieb: »Jetzt sind mir die Augen geöffnet über so viele meiner Gefühle, die ich gegen Ausländer hatte, meine Freunde wissen es, ich habe es ihnen oft gesagt: Ich konnte nie etwas anfangen mit aller ausländischen Musik. Mir kam sie immer schal, leer, widerlich süßlich, verlogen und ungekonnt vor. Ohne Ausnahme. Jetzt weiß ich, wer die Franzosen, Engländer, Russen, Belgier, Amerikaner und Serben sind: Montenegriner! Das sagte mir die Musik längst. Ich wunderte mich, dass nicht alle so empfinden wie ich. Diese Musik war längst eine Kriegserklärung, ein Überfall auf Deutschland. Aber jetzt kommt die Abrechnung! Jetzt werfen wir diese medio­kren Kitschisten wieder in die Sklaverei, und sie sollen den deutschen Geist verehren und den deutschen Gott anbeten lernen.« Es findet mit Recht der Antisemitismus Erwähnung, unter dem auch Schönberg zu leiden hatte. Doch sind solche Äußerungen harmloser? Der Autor erwähnt in einem durchweg ehrenden Artikel in einer linken Zeitung diese Einstellungen Schönbergs nicht, der später ein leidenschaftlicher Antikommunist wurde. Das scheint hinter formalen Erörterungen der Struktur seiner Werke zweitrangig zu sein. Sind solche Äußerungen harmloser als ein antisemitischer Aufsatz Wagners? Es handelt sich da eher um das gleiche übertriebene, nationalistische Hervorheben des Deutschen, wegen dem es später eben leider nur wenige »Überlebende von Warschau« gab.

Fred Buttkewitz, Ulan-Ude (Russland)

Klagelied

Zu jW vom 13.9.: »Brodeln unterm Acker«

Und das dicke Ende steht den deutschen Agrarbetrieben erst noch bevor, und zwar dann, wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende gegangen sein wird und die westlichen Großkonzerne und Banken freien Zugriff auf die riesigen und höchst fruchtbaren Agrarflächen der Ukraine haben werden. Kein westlicher Betrieb wird dann mehr konkurrenzfähig sein und Brüssel wird diese nicht ewig subventionieren. Die polnischen Bauern können jetzt schon ein Klagelied davon singen.

Reinhard Hopp, Berlin

15-Minuten-Plan

Zu jW vom 14./15.9.: »›Ein Schlag ins Gesicht der Menschen hier‹«

Genaugenommen ist es ja so, dass das bürgerschaftliche Engagement für das SEZ selbst eine Rekonstruktion rechtfertigen würde. Da ist es doch naheliegender, das Bauwerk einfach in Stand zu setzen und die Nutzung wieder aufzunehmen. Mit einem Streich würde man noch dazu das verkehrsreduzierende, Lebensqualität erhöhende städtebauliche Konzept umsetzen, das als »15-Minuten-Stadt« bekannt ist. Mit dem SEZ in seiner originären Rolle eines Sport- und Freizeittempels für alle würde der Senat eine ganze Reihe an Kiezen in 15 Minuten fußläufiger Entfernung komplettieren, die bereits über öffentliche Mobilität, Schulen, Kitas, Ärzte, Einzelhandel, Wohnungen und Fahrradwege verfügen, die für die Erreichung der Ziele ebenfalls notwendig sind. Durch eine einzige, schnöde Renovierung. Denn ein stützenfreier Raum ist über Nutzer wie Glücksritter erhaben. Völlig unangetastet steht das Tragwerk gut erhalten da, die Einbauten sind schnell beseitigt, das Bodenrelief befreit. Wer mal versucht hat, von Friedrichshain aus im Winter die Eisbahn Weißensee oder im Sommer das Prinzenbad in Kreuzberg nach der Schule mit Kindern zu besuchen, kennt den Leidensdruck. Dass genau die Nutzung, für die das SEZ gebaut wurde, genau an diesem Ort richtig ist, liegt eigentlich auf der Hand. Die Furcht ist vielleicht eine andere: Ist es das Narrativ einer postmodernen, genussvollen, optimistischen DDR, das hier als Bedrohung empfunden wird? Ein Sport- und Freizeitzentrum mit niedrigen Eintrittspreisen und damit mit der Möglichkeit einer breiten Teilhabe? Klingt nicht nach Bedrohung. Klingt nach einer guten Idee.

Britta Fritze, Berlin

Brückenköpfe

Zu jW vom 13.9.: »Vor dem Badengehen«

Brückentage in der Zeitenwende. Es geistern verschiedene Zahlen durch die Welt der Brücken. Durch die deutsche Brückenwelt. Müssen 4.000 Brücken saniert werden? 16.000 Brücken? Sind es gar mehr als 30.000? Wer oder was ist Brücke und darf sich auch so nennen? Vermutlich gibt es Definitionsunterschiede, was ist eine Brücke? Was ist eine relevante Brücke? Vielleicht gar eine systemrelevante Brücke? Wem gehört die Brücke? Was darf eine Brücke? Benötigen wir in der neuen Normalität der Zeitenwende überhaupt noch Brücken? Wenn ja, wie lange noch? Was ist mit den Brückentagen? In jedem Fall kommen viele Brücken immer mehr in die Tage. Vielleicht gibt es bereits eine Triage: Welche Brücke kann man schnell retten? Welche Brücke ist noch zu retten? Welche Brücke kann man aufgeben, weil sie es eh nicht mehr schafft oder die Mittel fehlen? Die Beantwortung dieser Fragen verändert das Zahlenmaterial, die Statistik und die Fakten. Allerdings nicht die Brücken. Die bleiben, wie sie sind. Solange sie es noch können. Sollte es eine Impfpflicht für Brücken geben? Würde die Impfung nur der Brücke selbst helfen oder auch andere Brücken schützen? Vielleicht indirekt, weil jede Brücke, die nicht in einen Fluss fällt, entlastet die Reparaturtrupps und die Schiffahrtswege. Oder bei Straßenbrücken über Straßen, die Straßen. Auch mögen Fische und Enten keine Brückentage. Sollten Wohnungslose, denen eine Brücke Obdach gewährt, in den nächsten Katastrophenalarmwarnton einbezogen werden? Benötigen sie dafür neue Handys? Und Brücken mit Steckdose und Ladekabel? Fragen über Fragen. Kompetenzteams werden gebildet. Feiern wir die Brückentage, wie sie fallen.

Stephan Krüger, per E-Mail

Ein Sport- und Freizeitzentrum mit niedrigen Eintrittspreisen und damit der Möglichkeit einer breiten Teilhabe? Klingt nicht nach Bedrohung. Klingt nach einer guten Idee.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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