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Aus: Ausgabe vom 27.09.2024, Seite 2 / Inland
Vernichtung von Arbeitsplätzen

»Der Fokus liegt auf schnellen Profiten«

Bayern: Servicecenter von H&M soll nach Verkauf abgewickelt werden. Über 300 Beschäftigten droht Entlassung. Ein Gespräch mit Michael Batog
Interview: Hendrik Pachinger
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Setzt beim Kundenservice auf Gewinnmaximierung: H&M-Filiale in Nürnberg (7.5.2018)

Das Customer-Service-Center, kurz CSC, in Nürnberg war bis 2022 ein Tochterunternehmen der Modekette H&M und zuständig für die Kundenbetreuung. Nach einer Übernahme durch die Webhelp GmbH soll das CSC Ende November abgewickelt werden. Wie kam es dazu?

Die Eskalation resultiert aus der Tatsache, dass den Beschäftigten bis zur Ankündigung der Betriebsschließung suggeriert wurde, dass die Zukunft gesichert sei und es mit der Webhelp Sun weitergeht. Nach der Übernahme durch Webhelp wurde zwar eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2024 mit dem Betriebsrat vereinbart, doch letztlich diente diese nur dazu, die Schließung auf einen günstigeren Zeitpunkt zu verlagern. Es liegt der Verdacht nahe, dass es von Anfang an nur darum ging, Besitzstände der Belegschaft zu zerstören, da die ehemaligen H&M-Beschäftigten eine bessere Bezahlung erhielten als die Angestellten von Webhelp. Bereits vor Bekanntwerden der Schließung Anfang 2024 fiel dem Betriebsrat auf, dass es keine Neueinstellungen für freigewordene Stellen mehr gab und statt dessen Aufträge an Zentren des Konzerns im Ausland vergeben wurden.

Nach der Übernahme ist H&M selbst nur noch Kunde der CSC und sieht bei sich keine Verantwortung für die Vorgänge seit 2022. Wieso ist für Sie H&M dennoch der »Schuldige«?

H&M trägt eine erhebliche Verantwortung für die aktuelle Situation. Obwohl H&M nach der Übernahme des Centers durch Webhelp nur noch als Kunde auftritt, darf nicht vergessen werden, dass H&M den Prozess der Veräußerung initiiert und die Bedingungen dafür festgelegt hat. Das Unternehmen hat das Center, das zuvor erfolgreich gearbeitet hat, an ein anderes Unternehmen veräußert, das im Niedriglohnsektor Personal einstellt. Es war absehbar, dass früher oder später die Marktlogik greifen würde. H&M musste von Anfang gewusst haben, welche Risiken für die Beschäftigten mit der Übergabe an Webhelp verbunden waren.

Die Webhelp GmbH wurde 2018 gegründet und warb von Beginn an mit ihrer Spezialisierung auf Betriebsliquidation. War mit dem Verkauf an so ein Unternehmen die Zukunft der CSC von Anfang an besiegelt?

Rückblickend betrachtet tatsächlich ja. Deswegen ist es auch eine solche Ungeheuerlichkeit, den Menschen, die dort arbeiten, zu suggerieren, dass alles gut wird. Bei der Unternehmensgeschichte von Webhelp wird deutlich, dass es mehr um Gewinnmaximierung geht als um eine nachhaltige Dienstleistung, mit der sich die Beschäftigten identifizieren können. Webhelp agiert wie viele Private-Equity-Unternehmen. Der Fokus liegt auf schnellen Profiten und nicht auf langfristiger Arbeitsplatzsicherung oder Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. Solche Strukturen führen oft dazu, dass soziale Aspekte hinten angestellt werden, während die Arbeitsplätze der Beschäftigten zum unliebsamen Kostenfaktor degradiert werden.

Sie fordern die Wiedereingliederung der CSC bei H&M oder einen Ausgleichsfonds, der durch das Unternehmen finanziert wird. Ist das realistisch?

Die Forderung nach Wiedereingliederung oder einem Ausgleichsfonds ist nicht nur realistisch, sondern auch notwendig, um den entstandenen Schaden zu verhindern oder zu kompensieren, der den Beschäftigten durch die Entscheidungen von H&M zugefügt wurde. Die Kette hat jahrelang von der Arbeit dieser Mitarbeiter profitiert und sollte nun ihrer moralischen und sozialen Verantwortung gerecht werden, insbesondere nachdem H&M zugelassen hat, dass diese Mitarbeiter massiv ausspioniert wurden – und das ist noch nicht lange her. Kurz nach dem Datenschutzskandal 2022 und einer zweistelligen Millionenstrafe wurde das Center verkauft, und jetzt werden die Mitarbeiter auf die Straße geworfen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden weiterhin Druck auf H&M und Webhelp ausüben, um eine Wiedereingliederung oder zumindest eine faire Abfindung zu erreichen. Zudem werden wir die Unterstützung der Politik suchen, wie es im Brandbrief des Betriebsrates an die politischen Vertreter bereits geschehen ist. Es ist entscheidend, dass die Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit nicht alleine gelassen werden und dass ihre Stimmen gehört werden. Solidarität und Durchhaltevermögen sind jetzt wichtiger denn je.

Michael Batog ist Verdi-Sekretär für den Dienstleistungssektor im Bezirk Mittelfranken

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