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Aus: Ausgabe vom 27.09.2024, Seite 8 / Inland
Friedensbewegung in der BRD

»Unis mussten immer gefügig gemacht werden«

Studierendenverband der Linkspartei mobilisiert für Demo gegen Krieg am 3. Oktober in Berlin. Ein Gespräch mit Maxi Kisters
Interview: Milan Nowak
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Linke-Anhänger auf einer Kundegebung zum Ostermarsch in Nürnberg (1.4.2024)

Vertreter mehrerer Parteien, Gewerkschaften und andere Organisationen unterstützen den Aufruf zur Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin mit dem Motto »Nein zu Kriegen«. Auch Ihr Studierendenverband beteiligt sich. Welche Stimmung nehmen Sie bei den jungen Menschen an den Hochschulen und Universitäten wahr?

Viele sind mit dem aktuellen Kriegskurs der Regierung nicht einverstanden. Sie fühlen ihre Einstellungen in der aktuellen Politik nicht mehr repräsentiert oder tendieren zur Friedensdemagogie – wie die AfD, die dem westlichen imperialistischen Kurs der Regierung einen nationalistischen entgegensetzt.

Womit halten Sie dagegen?

Dagegen müssen wir vereint kämpfen und uns am Aufbau einer starken Friedensbewegung beteiligen. Gerade jetzt ist es sinnvoll, in einem großen Bündnis diese Forderung zu artikulieren. Selbstverständlich teilen wir nicht die Positionen aller, die an einer so breiten Kundgebung beteiligt sind. Wir finden es aber wichtig, eine konsequent linke Position gegen Krieg und für Frieden auf die Straße zu tragen. Als Studierendenverband thematisieren wir vor allem die Militarisierung der Hochschulen.

Wie wirkt sich die Militarisierung an der Uni aus?

Zunächst gilt, dass »Kanonen statt Butter«, wie es zuletzt Ifo-Chef Clemens Fuest proklamierte, auch »Kanonen statt Bücher« heißt. Im Bildungssektor wird gekürzt, die Unterfinanzierung erleben Studierende und Mitarbeiter täglich. Dazu kommt das direkte Einwirken auf die Universitäten, beispielsweise im Ringen um die Zivilklauseln. Das sind freiwillige Selbstverpflichtungen von Universitäten, nicht zu kriegerischen, sondern zu zivilen Zwecken zu forschen. Sie wurden durch die Friedensbewegung in der Bundesrepublik an vielen Unis erkämpft und werden seit der »Zeitenwende« zur Zielscheibe. Es gibt viele Anstrengungen, sie abzuschaffen, beispielsweise durch die AfD in NRW oder »Rot-schwarz« in Hessen. Dabei geht es auch darum, Militär und zivile Institutionen stärker zu verzahnen. Es gibt Universitäten, die Kooperationsprogramme mit Rüstungsunternehmen haben oder wie in Bayern Versuche seitens der Landesregierung, solche Kooperationen sogar vorzuschreiben.

Sehen Sie historische Kontinuitäten im Kampf gegen Krieg und für Frieden an den Hochschulen?

Es ist deutlich, dass Unis häufig Orte dieser Auseinandersetzung waren. Sie spielen für Kriege eine wichtige Rolle, schon allein in der materiellen Unterstützung durch Forschung zu Waffensystemen oder ähnlichem. Gleichzeitig sind Universitäten auch die Orte des kritischen Denkens und ideologiebildend für eine Gesellschaft. Sie mussten historisch immer gefügig gemacht werden, wie es beispielsweise die Nazis taten. Sie waren aber auch immer Orte des Widerstands. Russische Wissenschaftler beispielsweise waren die ersten in Russland, die nach dem Angriff auf die Ukraine 2022 einen offenen Brief dagegen verfassten. Es war kein Zufall, dass die 68er großflächig gegen den Vietnamkrieg aktiv wurden. Universitäten sind ein Ort, der umkämpft ist.

Was stellen Sie sich unter Friedensforschung vor?

Alle Disziplinen – ob Geistes-, Natur- oder andere Wissenschaften – nehmen ihre Verantwortung im Sinne der Aufklärung wahr. Die Aufgabe von Friedensforschung ist es, einen Beitrag zu einer friedlicheren Welt ohne imperiale Konflikte zu leisten. Dass Kriege nicht einfach weggeforscht werden können, ist klar. Trotzdem legt Friedensforschung die Grundlage.

Wie streiten Sie als Studierende vor Ort für Frieden?

Wir bringen uns aktiv in das Universitätsgeschehen ein, etwa im Ringen um Zivilklauseln oder Rüstungskooperationen. An vielen Universitäten haben Studierende auch mit den Palästina-Camps gegen die deutsche Beteiligung am Krieg gegen Gaza protestiert und die Universitäten selbst ihre Kooperationen mit israelischen Institutionen ins Auge genommen. Wir mobilisieren auch in Betrieben gegen die Bestrebungen für eine neue Wehrpflicht, organisieren Ringvorlesungen zum Thema Krieg und Frieden und mobilisieren für eine breite antimilitaristische Bewegung.

Maxi Kisters ist Mitglied des Bundesvorstands von »Die Linke. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband« (SDS)

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