Selenskij sucht Fans
Von Jörg KronauerDer ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat während seines Besuchs in den USA anlässlich der diesjährigen UN-Generaldebatte weitere Unterstützungszusagen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar eingesammelt. US-Präsident Joseph Biden, mit dem Selenskij am Donnerstag abend im Weißen Haus zusammentraf, versprach »Militärhilfe« für rund 2,4 Milliarden US-Dollar, darunter ein »Patriot«-Flugabwehrsystem, Gleitbomben und Drohnen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um neue Mittel, sondern um Gelder, die bereits zuvor prinzipiell genehmigt worden waren. Sie wurden von Biden nun konkret freigegeben. Der scheidende US-Präsident sagte zudem zu, weitere bereits genehmigte Mittel – 5,5 Milliarden US-Dollar – nicht verfallen zu lassen, sondern sie bis zum Ende seiner Amtszeit abzurufen. Am Mittwoch abend hatte zudem ein Sprecher der Bundesregierung am Rande der Generaldebatte mitgeteilt, Berlin werde zusätzlich 170 Millionen Euro bereitstellen, um die ukrainische Energieversorgung wiederherzustellen.
Keinen Erfolg hatte Selenskij mit seinem angeblichen »Siegesplan«, den er Biden vorlegen wollte. Ein US-Regierungsmitarbeiter hatte sich bereits vorab mit der Aussage zitieren lassen, er sei von dem Plan »nicht beeindruckt«: Dieser umfasse nur altbekannte Forderungen nach mehr Waffen und mehr Geld. Die gleichfalls in dem »Siegesplan« enthaltene Forderung, weitreichende Raketen aus westlicher Produktion auf Ziele in Russland abfeuern zu dürfen, blieb ebenso unerfüllt; die US-Position dazu habe sich nicht geändert, bestätigte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre. Für Freitag (Ortszeit) war noch ein Treffen von Selenskij mit Donald Trump geplant.
Dabei wird Selenskij sein ohnehin frostiges Verhältnis zu Trump mit einem Interview, das am vergangenen Sonntag im New Yorker erschien, nicht verbessert haben. In dem Interview hatte er Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten James David Vance als »zu radikal« beschimpft und belehrt, er solle sich »in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs einlesen«. Trump revanchierte sich, indem er am Mittwoch festhielt, Washington zahle »Milliarden von Dollar an einen Mann, der sich weigert, einen Deal einzugehen«. Dabei wäre, fuhr Trump fort, »jeder Deal besser gewesen als das, was wir jetzt haben«. Nun sei die Ukraine wohl irreparabel zerstört.
Vor dem für Freitag angekündigten und von Protesten begleiteten Auftritt des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in der Generaldebatte war in New York breite Kritik an der israelischen Kriegspolitik laut geworden. Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Nationalbehörde, hatte am Donnerstag verlangt, das Töten im Gazastreifen und im Westjordanland müsse umgehend aufhören: »Stoppt dieses Verbrechen. Stoppt Waffenlieferungen an Israel.« Guyanas Präsident Mohamed Irfaan Ali hatte am Mittwoch erklärt, »das Recht auf Selbstverteidigung« werde »als Massenvernichtungswaffe« instrumentalisiert. Lasse man Israel straflos davonkommen, dann könne sich künftig »kein Staat mehr sicher fühlen«.
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) nutzte ihren Auftritt in der Generaldebatte am Donnerstag abend, um erneut die Waffenlieferungen an die Ukraine zu rechtfertigen. Zudem teilte sie mit, Deutschland werde für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat in den Jahren 2027 und 2028 kandidieren.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. September 2024 um 12:02 Uhr)Zwar mag »Frieden durch Stärke« eine überzeugende Idee sein, doch Selenskyj befindet sich nicht in dieser Position. Weder die Ukraine noch der Westen sind aktuell in der Lage, Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Infolgedessen ist Selenskyjs »Plan für den Sieg« eindeutig gescheitert. Wenn der ukrainische Präsident weiterhin die Realität ignoriert und darauf beharrt, dass die ukrainische Armee alle seit 2014 von Russland eroberten Gebiete zurückgewinnen kann, riskiert er, die Unterstützung der Ukraine zu verlieren. Gleichzeitig droht die ohnehin nie vollständig einheitliche ukrainische Gesellschaft weiter gespalten zu werden und demografisch auf dem Schlachtfeld auszubluten. Wenn die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten gewinnen wollen, müssen sie zunächst den Mut aufbringen, sich einzugestehen, dass sie momentan verlieren. In den vergangenen zwei Jahren haben Russland und die Ukraine einen verlustreichen Abnutzungskrieg nach westlicher Strategie geführt. Doch es zeigt sich zunehmend, dass dieser Weg für Europa langfristig nicht haltbar ist. Der Westen benötigt statt eines »Plans für den Sieg« vielmehr eine ambitionierte und dringend notwendige Kurskorrektur. Der Kreml hat die Ukraine nicht angegriffen, um Territorium zu gewinnen, sondern um eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern und sicherzustellen, dass osteuropäische Staaten keine Bedrohung für Russland durch Raketen darstellen. Diese Frage bleibt der Schlüssel zu Frieden und einer Neuordnung Europas. Betrachtet man die gegenwärtige Lage, scheint Moskau gute Chancen zu haben, seine Ziele zu erreichen, da Westeuropa schwach wirkt und sich nach Frieden sehnt. Dennoch werden das letzte Wort die USA haben – jenes Land, das am 16. Juni 2021 Putins diplomatische Initiative in der Villa La Grange in Genf zurückwies. Bidens Abgang könnte sich dabei für den Kreml als Vorteil erweisen.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (28. September 2024 um 15:20 Uhr)Es gibt nur noch eine winzige und vielleicht letzte Hoffnung, nämlich, dass ein us-amerikanischer Psychopath (so er denn wiedergewählt werden sollte), die kriegsfanatischen Psychopathen in der Ukraine und in Europa doch noch stoppen könnte. So tief ist das Abendland bereits gesunken. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
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