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Aus: Ausgabe vom 28.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Engagierter Bürger des Tages: Hendrik Streeck

Von Felix Bartels
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Er kam, sah und sprach, allein wir waren noch nicht reif für ihn

Man wird ihn mal fragen, was er sich gedacht hat. Und Hendrik Streeck könnte dann Steve McQueen zitieren, der in den »Glorreichen Sieben« von einem Mann berichtet, der mitten in der Prärie vom Pferd stieg, sich nackig auszog und in einen Kaktus sprang, weil er das damals für eine prima Idee gehalten habe. Streeck, im Frühjahr 2020 zum Counterpart des Staatsvirologen Drosten avanciert, brütet zur Stunde die Absicht aus, in die Politik zu gehen. Wie lange wir darauf gewartet haben, weiß wohl nur er allein.

Vielleicht liegt es in der Natur der Pandemie, dass jeder in ihr irrte. Man konnte medizinisch richtig liegen und politisch falsch. Oder umgekehrt. Streeck lag politisch und medizinisch daneben. Seine erste Reaktion, im Januar 20, war ein Grippevergleich. Wie para der war, allein aufgrund fehlender Grundimmunität und der damit verbundenen pandemischen Situation, hätte der Virologe schon sehen müssen, als es noch keine Nachrichten von Triagen in Bergamo und New York gab. Einmal im Irrtum aber, ließ er nicht ab, bediente das ebenso neoliberale wie letale Konzept »Flatten the curve« und machte sich mit Parteifreund Laschet zum Sprachrohr der auf sofortige Öffnung drängenden Kapitalverbände.

Das ändert durchaus nichts daran, dass die Coronapolitik voller Fehler war: mangelnde Konsequenz in der Frühphase, permanente Wechsel der Strategie (also worst of both worlds) und spätestens mit dem Auftauchen weniger tödlicher Varianten, die Ausfahrt nicht gefunden zu haben. Zu groß schien mittlerweile wohl auch das Interesse der frisch entstandenen Coronaindustrie. Umgekehrt aber gilt ebenso, dass die Irrtümer eines Drosten und der asketische Wahn eines Lauterbach nichts an Streecks Leichtsinn ändern. Er hat im Frühjahr 20 gezeigt, wie es in ihm denkt. Und jetzt will er in den Bundestag. Mit etwas Glück findet er den Weg nicht.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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