»Es sind einfach zu viele Verbrechen der Konzerne«
Interview: Henning von StoltzenbergNach zweijähriger Zwangspause verleiht Ihre Stiftung wieder die beiden jährlichen Internationalen Ethecon-Awards. Welche Preise werden verliehen?
Wir haben uns dem Kampf gegen das Profitdiktat und den Kapitalismus verschrieben. Diesen Kampf führen wir im Spannungsfeld zwischen Ethik und Ökonomie, und die beiden Ethecon-Preise sind dabei ein zentrales Mittel. Wir verleihen jährlich einen Positivpreis, den internationalen Ethecon Blue Planet Award. Darüber hinaus schmähen wir mit dem Internationalen Ethecon Dead Planet Award die Verantwortlichen hinter den Großkonzernen, die Aktionärinnen und Aktionäre sowie Vorstände, also namentlich die, die von dem begangenen Unrecht profitieren.
Und an wen gehen die Preise dieses Jahr?
Das Thema unserer diesjährigen Preisverleihung lautet »Gegen Repression! Grundrechte müssen verteidigt werden!«. Die Pressefreiheit spielt dabei eine große Rolle. Deshalb verleihen wir den Blue Planet Award dieses Jahr an Julian Assange. Auf der anderen Seite schauen wir uns den Axel-Springer-Konzern genauer an, der mit seinen Medien wie der Bild für Hass, Hetze und Spaltung der Gesellschaft steht und daher für die Kapitalisten seit Jahrzehnten eine wichtige Funktion erfüllt.
Die Entscheidungen können Sie sicher inhaltlich begründen.
Beim Dead Planet Award haben wir in der Regel sogar das Problem, dass wir nicht alle Verbrechen der Konzerne aufzählen können – es sind einfach zu viele. So müssen wir uns eben fokussieren. Im Falle von Springer schmähen wir die Verantwortlichen vor allem dafür, dass auf ihr Konto jahrzehntelanger Hass und Hetze, Kriegstreiberei und der Ruin des Friedens gehen. Sie sind mitverantwortlich für den Abbau der Demokratie und der Pressefreiheit. Dafür beuten sie ohne Skrupel tagtäglich ihre Beschäftigten aus, die darüber hinaus unter Sexismus zu leiden haben. Mathias Döpfner, Ralph Büchi und Friede Springer – die Hauptakteure hinter dem Konzern – stellen eine Gefahr dar. Sie handeln zu ihrem Vorteil, für persönliche Macht und private Bereicherung. Sie treten Moral und Ethik mit Füßen.
Weshalb fiel die Wahl auf eine Ehrung des australischen Journalisten Assange?
Er hat stets solidarisch gehandelt. Er nimmt für die sozialen und friedenspolitischen Interessen seiner Mitmenschen bedenkenlos Konflikte mit Herrschenden und Nachteile für Leib und Leben oder die eigene Existenz in Kauf. Julian Assange zeigt das, was gemeinhin soziale Verantwortung oder Empathie genannt wird. Freie und unabhängige Berichterstattung sind von größter Bedeutung. Das hat er uns durch (die Veröffentlichungsplattform, jW) Wikileaks und durch seine Standhaftigkeit vor Augen geführt. Er hat Whistleblower auf der ganzen Welt dazu ermutigt, sich nicht einschüchtern zu lassen. Assange ist gerade dieses Jahr dank einer massiven Solidaritätsbewegung, die über Jahre Druck aufgebaut hat, freigekommen. Das müssen wir nicht nur durch einen Preis ehren, sondern auch daraus lernen.
Wie werden die Preisträger ermittelt?
Beim jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums im Januar in Davos kommen die Herrschenden zusammen, um ihre Strategien für das Jahr zu besprechen. Dieses Treffen ist auch für uns der Startschuss, uns mit potentiellen Preisträgerinnen und -trägern auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie wir dem etwas entgegenzusetzen haben. Im Laufe des Jahres beraten sich dann der Vorstand und das Kuratorium von Ethecon, berücksichtigen Vorschläge und verkünden schlussendlich am Weltfriedenstag, auf wen die Wahl gefallen ist.
Wo findet die Verleihung statt, und wer ist dieses Jahr dazu eingeladen?
Sie findet am 9. November in Düsseldorf statt. Es wird eine Liveschalte nach Australien geben sowie Reden von einer namhaften Laudatorin und Schmährednerin. Wir sind sehr froh, dass wir nach mehreren Jahren endlich wieder persönlich zusammenkommen können. Denn auch der Austausch untereinander hat uns allen sehr gefehlt. Das war leider in Coronazeiten nicht mehr möglich. Deshalb sind wir froh über alle Interessierten, die sich anmelden, und über jede Organisation, die das Anliegen unterstützt.
Marius Dornemann ist Geschäftsführer bei Ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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