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Aus: Ausgabe vom 30.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Außer Kontrolle

Tötung von Hasan Nasrallah
Von Wiebke Diehl
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Porträt von Hasan Nasrallah auf der Trauerfeier für einen gefallenen Hisbollah-Kämpfer (Majdel Selm, Südlibanon 20.8.2024)

Die westliche Welt fleht vergeblich bei der rechtesten Regierung, die Israel je hatte. Und sie macht sich mit ihrer Tatenlosigkeit schuldig, weil sie ihrer mantraartig vorgetragen historischen Verantwortung gerade nicht nachkommt. Dies zeigte sich erneut, als Benjamin Netanjahu am Freitag, kurz nachdem er vor den Vereinten Nationen jede Deeskalationsbemühung ausgeschlagen hatte, die Tötung Hasan Nasrallahs, einer der symbolträchtigsten Persönlichkeiten des Nahen und Mittleren Ostens, befahl. Netanjahu, der seit Monaten einen unkontrollierbaren Flächenbrand provoziert, gefährdet neben der palästinensischen und libanesischen Bevölkerung auch die israelische, die zu schützen er vorgibt.

Der Verlust Nasrallahs, den viele seiner Anhänger insgeheim für unsterblich hielten, ist ein schwerer Schlag – nicht nur für die Hisbollah, sondern für unzählige Menschen weit über den Nahen und Mittleren Osten hinaus. Dies gilt nicht nur, weil es der Hisbollah unter seiner Führung als erster Kraft gleich zweimal, im Jahr 2000 sowie 2006, gelungen ist, die israelischen Truppen ohne Erreichen ihrer militärischen Ziele zum Abzug zu zwingen. Den wahren Mythos Nasrallahs begründete, dass er mehr als drei Jahrzehnte lang im Angesicht der spalterischen US-Politik die friedliche Koexistenz der ethnischen und religiösen Gemeinschaften predigte.

Die Hisbollah muss sich nun harten Fragen stellen: Wie konnte es geschehen, dass der vom israelischen Mossad plazierte Sprengstoff in den explodierten Pagern und Funkgeräten nicht entdeckt wurde? Wieso wurden sie ohne jede Vorsicht bei einer Briefkastenfirma gekauft? Wie konnten die strengen Sicherheitsvorkehrungen, denen ihr Generalsekretär unterlag, versagen? Und wie gelang es Israel, nach und nach fast ihre gesamte militärische Führungsriege auszuschalten? Verrat steht im Raum. Dass Nasrallah das wusste, stand ihm während seiner letzten Rede ins Gesicht geschrieben.

»Enthauptungsschläge« werden die Hisbollah dennoch nicht zerstören können. Dass sie trotz schwerer Verluste handlungsfähig bleibt, zeigte sie 1992, als ihr damaliger Generalsekretär Abbas Al-Musawi getötet wurde, und auch nach der Tötung Nasrallahs setzt sie die Angriffe auf Israel fort. Wer die Hisbollah zerschlagen will, muss eine Bodenoffensive starten. Aber Israel, das im Luftkrieg überlegen sein mag, hat auf dem Boden bereits im Gazastreifen versagt. Der israelische Generalmajor der Reserve, Jitzhak Brik, der die Hisbollah gegenüber der Hamas für »hundertmal überlegen« hält, warnt gar, eine Bodeninvasion im Nachbarland gefährde Israels Existenz. Auch, weil die Hisbollah Unterstützung mindestens aus dem Irak und dem Jemen erhalten dürfte. Nasrallahs Warnung, im Libanon werde die israelische Armee »in die Hölle« gehen, waren und sind keine leeren Worte. Das sollten auch die »Freunde« Israels verstehen.

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