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Aus: Ausgabe vom 01.10.2024, Seite 2 / Inland
Waffengeschäfte

»H & K dürfte keine Waffen exportieren«

Hauptversammlung des Waffenkonzerns Heckler & Koch: Gruppe kritischer Kleinanleger fordert Konversion. Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin
Interview: Yaro Allisat
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Suchen Abnehmer: Gewehre mit allerlei Zubehör am Stand des baden-württembergischen Konzerns auf der Rüstungsmesse »Eurosatory« (Villepinte, 17.6.2024)

An diesem Dienstag hält der Waffenkonzern Heckler & Koch, kurz H & K, seine Hauptversammlung ab. Wohin werden derzeit die Waffen aus dem Hause H & K exportiert, und wo werden sie eingesetzt?

Genau das fragen wir Vorstand und Aufsichtsrat bei der ebenfalls an diesem Dienstag vorgesehenen Aufsichtsratssitzung. Klar ist, dass H & K Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- und Scharfschützengewehre an Militärs in der EU, der NATO und auch an NATO-assoziierte Staaten geliefert hat und weiterhin liefert, beispielsweise seit dem Ukraine-Krieg ins Baltikum. Unsere Fragen zielen auch auf mögliche verstärkte Waffenlieferungen an Länder, die an Russland grenzen. Wir fragen zudem nach, ob Kriegswaffen oder deren Bestandteile in den Nahen Osten, vor allem an Israel, geliefert wurden. In früheren Jahren wurde auch Saudi-Arabien mit G3- und G36-Gewehren hochgerüstet.

Welche Forderungen werden Sie an die Konzernspitze richten?

Aufgrund der völlig verfehlten Geschäftspolitik fordern wir Kritischen Aktionär*innen die Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Ginge es nach uns, dürfte H & K keine Waffen exportieren. Das Unternehmen müsste statt dessen auf die Fertigung sinnvoller und nachhaltiger ziviler Produkte umstellen.

Aber vermutlich geht es nicht nach Ihnen. Welchen Einfluss haben die Kritischen Aktionär*innen?

Unser Aktienanteil ist in der Regel absichtlich sehr gering. Die meisten von uns besitzen nur eine Aktie. Das Aktienrecht verschafft uns als Kleinaktionären einen erstaunlichen Einfluss. Mit einer einzigen Aktie können wir bei den alljährlichen Hauptversammlungen Gegenanträge auf Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat stellen und diese inhaltlich begründen. Darüber muss am Ende abgestimmt werden. Wir alle haben ein unbegrenztes Fragerecht, die Unternehmensführung hat eine Auskunftsverpflichtung, der sie nachkommen muss. Bevor wir Aktien gekauft haben, ging eine H-&-K-Hauptversammlung gut eine Stunde. Heute dauert sie zwischen fünf und sieben Stunden.

Unser Druck hat die Einführung der »Grüne-Länder-Strategie« bei H & K und damit eine klare regionale Begrenzung der Exporte von Klein- und Leichtwaffen bewirkt. Diese ist in der deutschen Rüstungsindustrie in dieser Form einmalig. Und die aktuelle Studie zur Verwicklung der Firmengründer in die Machenschaften des mörderischen NS-Regimes wurde von uns KA mit angestoßen.

In einer Mitteilung fordern Sie einen H-&-K-Rehabilitationsfonds für Kindersoldaten. Was ist die Idee dahinter?

Im bewaffneten Konflikt in Zentralafrika benutzen Kinder und Jugendliche der Rebellenarmee »Lord’s Resistance Army«, LRA, unter anderem das G3-Gewehr von H & K. Der vormalige Kindersoldat Innocent Opwonya, der von der LRA zwangsrekrutiert wurde und später fliehen konnte, hat das im Interview mit mir bestätigt. Er wurde mit einem G3-Gewehr von H & K zum Kämpfen gezwungen. Heute setzt sich Innocent gegen den Export von Kleinwaffen ein. Ein Hilfsfonds für die Opfer wäre das Mindeste.

Weshalb fordert Ihre Aktionärsgruppe außerdem eine Umbenennung des Waffenherstellers?

Edmund Heckler wie auch Theodor Koch, zwei der drei späteren Firmengründer, waren für den Arbeitseinsatz von Zwangsarbeitern und sogenannten Arbeitsjuden bei den Waffenkonzernen Mauser und HASAG verantwortlich. Heckler verantwortete in einem Werk in Taucha die Baumaßnahmen. Wie die aktuelle Studie »Waffeningenieure im Zwielicht« belegt, erging es Menschen in den Bautrupps extrem schlecht. Mauser betrieb in enger Kooperation mit der Gestapo ein sogenanntes Arbeitserziehungslager. Selbst bei geringen Verfehlungen wurden Zwangsarbeiter dorthin überstellt. Dort kam es zu lagerinternen »Schauexekutionen« vor Mitgefangenen. Trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen blieben Heckler und Koch untätig. In ihrem rein technisch-beruflichen Karrierestreben gingen sie offenbar über Leichen. Wir wollen von der H-&-K-Führung einen öffentlichen Dialog und zumindest die Umbenennung des Firmennamens.

Jürgen Grässlin ist aktiv bei der Vereinigung Kritische Aktionär*innen Heckler & Koch und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)

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