Österreich vor langem Koalitionspoker
Von Dieter Reinisch, WienÖsterreich steht nach den Nationalratswahlen vor einem langen, wahrscheinlich Monate andauernden Koalitionspoker. Denn demnächst sind Landtagswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg. Die Parteien werden eine Regierungsbildung nicht in die beiden Wahlkämpfe hineintragen wollen. In der Steiermark ist die rechte FPÖ bei den Wahlen am Sonntag bereits stärkste Kraft geworden, gefolgt von der konservativen ÖVP. Mit fast 29 Prozent liegt sie in dem Bundesland sogar über ihrem Rekordergebnis von 1999. In Vorarlberg lag sie nur sehr knapp hinter der ÖVP.
Offiziell will keine Partei mit der FPÖ koalieren, aber eine offene Ausgrenzung bei Koalitionsverhandlungen mit der mit Abstand stärksten Partei könnte weiter Wasser auf den Mühlen der FPÖ sein und ihr weitere Wahlerfolge in der Steiermark und in Vorarlberg bringen. Das wollen alle anderen Parteien durch eine frühe Koalitionsbildung verhindern.
Interessant ist das Parlamentswahlergebnis in Niederösterreich, dem größten Bundesland. Die Region galt als Hochburg der ÖVP. Hier regierte die konservative Partei über lange Zeit mit einer absoluten Mehrheit. Derzeit ist sie dort in einer Koalition mit der besonders rechten Landesgruppe der FPÖ um den Burschenschafter Udo Landbauer. Am Sonntag verlor die ÖVP dort 12,3 Prozentpunkte und kommt auf 30 Prozent. Die FPÖ gewann 12,7 Prozentpunkte hinzu und liegt mit 29,1 Prozent direkt hinter der einst in Niederösterreich absolut regierenden ÖVP.
Die nächsten Schritte liegen in der Hand des Bundespräsidenten Alexander van der Bellen (Grüne). Ihm bietet die Koalition den Rücktritt an, er setzt sie aber sofort zur Fortführung der Verwaltung ein, bis es eine neue Regierung gibt. Danach trifft er sich zu Gesprächen mit den Chefs aller im Nationalrat vertretenen Parteien und gibt einem von ihnen den Regierungsbildungsauftrag.
In seiner Ansprache am Wahlabend gab van der Bellen die Eckpunkte für die Zukunft aus: »Ich werde auf die Rechtsstaatlichkeit und die demokratischen Grundpfeiler achten«, so der Bundespräsident. Die Grundpfeiler »unserer liberalen Demokratie, die von der kommenden Regierung eingehalten werden müssen«, seien Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Grund- und Minderheitenrechte und die EU-Mitgliedschaft.
Mit dieser Liste macht er deutlich, dass er FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht den Auftrag geben wird. Van der Bellen muss dies nicht tun, aber bisher wurde der Regierungsauftrag immer an den Vorsitzenden der Partei mit den meisten Stimmen gegeben. Kickl gibt sich kämpferisch: »Die Wähler haben ein Machtwort gesprochen. Wir sind bereit, eine Regierung zu führen.« Doch keine Partei will in eine Koalition mit einer FPÖ unter dem Vorsitz von Kickl. Der wird aber nicht seinen Platz räumen, um einer ÖVP-FPÖ-Koalition den Weg zu bereiten, wie es Jörg Haider 1999 tat.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sagte am Wahlabend: »Es ist klar, dass wir keine demokratisch gewählte Partei ausschließen.« Eine FPÖ ohne Kickl in der Regierung, aber mit ihm als Parteichef oder Klubobmann, wäre also für die ÖVP denkbar: »Wir haben klar Kickl von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen.« Stocker baut so Druck auf die SPÖ auf, um möglichst ohne Widerstand auf die ÖVP-Forderungen einzugehen, sonst könnte man doch mit der FPÖ gemeinsame Sache machen, suggeriert Stocker.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) will dagegen die ultraliberalen, transatlantischen Neos in eine Dreierkoalition heben, um die SPÖ darin zu schwächen. Offen mit einer rechten Bürgerblockregierung aus ÖVP und FPÖ liebäugelt die Industriellenvereinigung, wie sie mittels Presseaussendung bekanntgab.
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