Einfach nicht zu bremsen?
Von Knut MellenthinIsrael setzt nicht nur seinen Luftkrieg gegen den Libanon unvermindert fort, sondern hat am Sonntag auch seine bisher schwersten Schläge gegen wirtschaftliche Objekte im Jemen geführt. Nach offiziellen Angaben der israelischen Streitkräfte griffen mehrere Dutzend Flugzeuge Kraftwerke und Hafenanlagen in Ras Isa und Hodeida, vermutlich die größten des Landes, an. Das jemenitische Fernsehen meldete mindestens vier Tote: drei Elektrotechniker und einen Hafenarbeiter. Im größten Teil Hodeidas fiel der Strom aus.
Das Führungsgremium der de facto im Jemen regierenden Ansarollah – in westlichen Medien standardmäßig mit dem verächtlich gemeinten Propagandawort »Huthis« bezeichnet – erklärte nach dem Luftüberfall, dass dieser »die Unterstützung des palästinensischen Volkes« nicht stoppen werde: »Die israelische Aggression wird nur die Entschlossenheit des jemenitischen Volkes erhöhen, an seiner Position festzuhalten.«
Unmittelbarer Auslöser des israelischen Großangriffs war anscheinend die Bekanntgabe von Seiten der Ansarollah, die jemenitischen Streitkräfte hätten eine Rakete in Richtung des Flughafens »Ben-Gurion« abgeschossen, als dort die Maschine landete, mit der Premierminister Benjamin Netanjahu von der UN-Vollversammlung in New York zurückkehrte. Die israelische Luftwaffe hatte schon einmal im Juli einen schweren Angriff auf den Hafen Hodeida durchgeführt, nachdem eine vereinzelte Rakete aus dem Jemen Tel Aviv erreicht und dort einen Zivilisten in seiner Wohnung getötet hatte. Die meisten der Hunderte von Angriffen gegen Israel, die von der mit Iran verbündeten »Achse des Widerstands« seit Kriegsbeginn vor fast einem Jahr gemeldet wurden, werden von der israelischen Luftabwehr abgewehrt, oder die Raketen und Drohnen landen auf freiem Feld. Ernsthafter Schaden für Israel wurde bisher in keinem einzigen Fall bekannt.
Auch die iranischen Vergeltungsdrohungen, die nach der offenbar von Israel gesteuerten Ermordung des Hamas-Chefs Ismail Hanija in einem Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran am 31. Juli pausenlos wiederholt werden, scheinen nur ein leeres Ritual zu sein. Offensichtlich und sachlich nicht bestreitbar ist, dass von Iran keine militärische Abschreckung ausgeht.
Davon künden unter anderem die zahlreichen gezielten Tötungen ihrer Gegner durch die israelischen Streitkräfte eindeutig. Neben dem libanesischen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am Freitag abend hat Israel seit Kriegsbeginn auch eine zweistellige Zahl hochrangiger Kader der schiitischen Kampforganisation ermordet. Das lässt auf eine erschreckende Qualität und Intensität der israelischen Militäraufklärung schließen, die vermutlich nicht nur auf diesem Gebiet sehr eng mit den entsprechenden Dienststellen der USA und vielleicht auch anderer NATO-Staaten, einschließlich der BRD, zusammenarbeitet. Netanjahu hat wahrscheinlich nicht einmal stark übertrieben, als er am Sonnabend wenige Stunden nach der Ermordung Nasrallahs der politischen und militärischen Führung Irans direkt drohte, es gebe keinen Punkt in ihrem Land oder in der gesamten Region, der nicht in Reichweite des »langen Arms Israels« sei.
Vor diesem Hintergrund wird im Iran offen über die künftige Strategie im Kampf gegen seine Todfeinde Israel und USA gestritten. Das einflussreichste Presseorgan der »Hardliner«, die Tageszeitung Kayhan, kommentierte am Montag, der Angriff auf ein Führungstreffen der Hisbollah, bei dem Nasrallah getroffen wurde, habe »die Notwendigkeit einer entschlossenen, schwerwiegenden und starken Antwort auf die Verrücktheit und Aggression« der israelischen Regierung »verdoppelt«. Zu denken sei an Angriffe auf militärische Nachschublieferungen an Israel auf hoher See und stärkere Schläge gegen Stützpunkte der israelischen Luftwaffe. »Vielleicht ist es Zeit, Waffen einzusetzen, die Israel bestimmt überraschen werden.« Aber sind im Iran Militärgeheimnisse besser geschützt, als ein Staatsgast wie Hanija es war?
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (30. September 2024 um 22:32 Uhr)»Neben dem libanesischen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am Freitag abend hat Israel seit Kriegsbeginn auch eine zweistellige Zahl hochrangiger Kader der schiitischen Kampforganisation ermordet. Das lässt auf eine erschreckende Qualität und Intensität der israelischen Militäraufklärung schließen«, die am 7. Oktober 2023 angeblich völlig von der Aktion der Hamas überrascht wurde, nachdem zusätzlich die ägyptische Regierung eine Woche zuvor davor gewarnt hatte und in der Nacht zuvor zwei Telefonkonferenzen zu dem Thema stattgefunden hatten. Hilfe traf nach dem Terrorakt der Hamas damals erst nach acht Stunden ein. Warum? Warum soll die Angelegenheit erst nach dem Krieg aufgeklärt werden, wer dafür die Verantwortung trug? Man könnte darüber doch Klarheit nach spätestens einer Woche schaffen. Die israelische Militäraufklärung wird sicher damals ebenso gut gewesen sein wie jetzt. Die Entscheidung, diese Warnungen und die der ägyptischen Regierung zu ignorieren, lag bei der israelischen Regierung. Doch vielleicht bot die bereits vorher bekannte Aktion der Hamas der israelischen Regierung gerade den passenden Vorwand für den ohnehin geplanten jetzigen radikalen Krieg gegen die Palästinenser und den Libanon, der alles Vorherige in den Schatten stellt? Zur Rechtfertigung vor der eigenen Bevölkerung und der Welt soll möglichst der Gegner der Aggression beschuldigt werden können, die man selbst plant bzw. seit langem selbst praktiziert. Das war 1870 bei Krieg zwischen Preußen und Frankreich der Fall, 1939 beim deutschen Überfall auf Polen, beim Vorwand der USA für den Vietnamkrieg und beim »unprovozierten, durch nichts zu rechtfertigenden, brutalen »Angriffskrieg« Russlands 2022 sowie bei vielen anderen Beispielen.
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