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Aus: Ausgabe vom 01.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Neuer Schwung

Börsenschub zum Jubiläum in China
Von Jörg Kronauer
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Überführung mit einer Anzeige von Aktieninformationen vor Gebäuden im Finanzviertel Lujiazui in Shanghai (6.8.2024)

Zum Geburtstag ein Börsenboom? Am Montag, gerade rechtzeitig, bevor die Volksrepublik China am Dienstag den 75. Jahrestag ihrer Gründung im Jahr 1949 feiert, schnellten die beiden wichtigsten Börsenindizes des Landes, der Shanghai Composite Index sowie der CSI 300, der die Kurse in Shanghai und Shenzhen abbildet, rasant in die Höhe. Der größte Kurssprung in China seit 1992 soll es gewesen sein; die beiden Indizes, die bereits in der vergangenen Woche recht kräftig zugelegt hatten, stehen jetzt um erstaunliche 18,7 bzw. 23,1 Prozent über dem Vormonatswert. Da kommt offensichtlich etwas in Bewegung.

Schwung in die chinesische Wirtschaft zu bringen – das war das Ziel von Maßnahmen, die Chinas Zentralbank bereits am Dienstag vergangener Woche ankündigte. Eine von ihnen, und zwar eine zentrale – die Anweisung an sämtliche Geschäftsbanken, die Zinsen auf laufende Immobilienkredite zu senken –, setzte sie am Sonntag um. Der Schritt soll Kreditnehmer entlasten, auf diese Weise Geld freisetzen, um den Konsum anzukurbeln – von mehr als 19 Milliarden Euro war die Rede –, und nicht zuletzt auch dem Immobilienmarkt Antrieb geben; es gilt, die Zahl der nicht verkauften Wohnungen zu verringern. Die Immobilienkrise muss, so lautet der Plan, endlich einmal überwunden werden. Darauf zielen auch weitere in der vergangenen Woche beschlossene Maßnahmen ab.

Im Hintergrund drängt zweierlei. Das eine: Die Volksrepublik stellt ihre Ökonomie um. Der Immobiliensektor trug zuletzt rund ein Viertel zur gesamten chinesischen Wirtschaftsleistung bei. Er soll jetzt in seiner Bedeutung zurückgedrängt werden – zugunsten der innovativsten Industrien, die China rasch aufbauen und weiterentwickeln will. Mit der Umstellung sind Reibungsverluste verbunden, die die Wirtschaft eine Zeitlang hemmen. Und es treten weitere Probleme auf – neben dem sich träge dahinschleppenden Konsum nicht zuletzt eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Bei den 16- bis 24jährigen ist sie im August von 17,1 auf 18,8 Prozent gestiegen. Und auch wenn der Anstieg nicht zuletzt darauf beruht, dass im Sommer fast zwölf Millionen Chinesen ein Hochschulstudium abgeschlossen haben: Beijing muss zweifellos Abhilfe schaffen.

Dies freilich in einer Zeit, in der – das ist das zweite Problem im Hintergrund – der Druck von außen spürbar steigt, verursacht durch den Wirtschaftskrieg wie auch durch die politisch-militärischen Maßnahmen des Westens gegen China, die die gedeihliche Entwicklung des Landes zunehmend erschweren. Gelänge es, die Immobilienkrise endlich umfassend zu überwinden, dann könnte sich die Volksrepublik voll und ganz den neuen Schwierigkeiten und Gefahren zuwenden, die sie erfolgreich abwehren muss, will sie zu ihrem nächsten großen Jubiläum, 2049, ihr Ziel erreichen, hundert Jahre nach ihrer Gründung ein modernes, wohlhabendes sozialistisches Land zu sein. Leicht wird das nicht. Der neue Börsenschub bringt aber immerhin zum Geburtstag ein wenig neuen Schwung.

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