Es wird nicht recht glänzen
Von Holger RömersEr habe »vielleicht einen dummen Angriff« unternommen, räumte Tadej Pogačar im Ziel in Zürich ein, nachdem er am Sonntag das Straßenrennen der Radsport-WM absolviert hatte. Damit meinte er die Attacke, mit der er sich 173 Kilometer nach dem Start aus dem Peloton gelöst hatte. Eine Flucht geradewegs in eine taktische Sackgasse mochte man meinen, denn zu jenem Zeitpunkt waren noch 101 Kilometer zu fahren. Zwar konnte der 26jährige Slowene vorübergehend auf die Hilfe seines Landsmannes Jan Tratnik zählen, der zu einer gut ein Dutzend Fahrer umfassenden Spitzengruppe gehörte, die sich 25 Kilometer vorher gebildet hatte. Indem dieser Helfer sich zurückfallen ließ, erleichterte er seinem Kapitän auch das Aufschließen zu den Ausreißern, unter denen Tratnik dann noch eine Weile Führungsarbeit leistete. Weil vorne keine andere Nation mit einem realistischen Sieganwärter vertreten war, war jedoch abzusehen, dass niemand sonst mit dem Topfavoriten zusammenarbeiten würde.
Im Fahrerfeld waren derweil noch genug Belgier präsent, um für ihren Kapitän Remco Evenepoel den Rückstand zu kontrollieren. So konnte der 24jährige, der eine Woche zuvor seinen Weltmeistertitel im Zeitfahren verteidigt hatte, weiterhin hoffen, mit einem Sieg im Straßenrennen seinen Doublegewinn von den Olympischen Spielen zu wiederholen. Zuvor hatte dieser zweite prominente Sieganwärter sich freilich seinerseits eine dumme Nachlässigkeit erlaubt, als er Pogačars Angriff im hinteren Drittel des Pelotons verschlief. Als der Belgier seine Helfer verschlissen hatte, wurden die Siegchancen der Verfolger durch die Unentschlossenheit eines dritten Favoriten zunichte gemacht: Obwohl Mathieu van der Poel bis kurz vorm Ziel einen Kollegen der niederländischen Nationalmannschaft an seiner Seite hatte, wurde dieser vom Titelverteidiger nie konsequent zur Nachführarbeit eingespannt.
Pogačars Verfolger attackierten sich weitgehend fruchtlos gegenseitig, während der Slowene auf dem 27 Kilometer langen, hügeligen Rundkurs in Zürich und Umgebung nie mehr als eine Minute Vorsprung erzielte. Nachdem er die letzten 51 Kilometer alleine gefahren war, fügte er schließlich als dritter Fahrer der langen Radsportgeschichte einen WM-Titel den im selben Jahr errungenen Gesamtsiegen beim Giro d’Italia und der Tour de France hinzu. Der 28jährige Australier Ben O’Connor wurde indes Vizeweltmeister und wiederholte die Überraschung, die ihm bereits als Gesamtzweiter der Vuelta a España gelungen war, bevor der ein Jahr ältere van der Poel immerhin den Sprint einer vierköpfigen Gruppe um Platz drei gewann.
Die Frauen seines Nationalteams hatten dagegen am Sonnabend nicht einmal einen Podiumsplatz erringen können, obwohl sie wie gewohnt das mit Abstand stärkste Team gestellt hatten. Im Kollektiv schienen sie fast nach Belieben den Verlauf des 154 Kilometer langen Rennens zu bestimmen. Es blieb dennoch spannend, weil die niederländische Taktik dem Publikum stets neue Rätsel aufgab. Nachdem eine Niederländerin mit einer Konkurrentin ein Ausreißerinnenduo gebildet hatte, schloss eine zweite bald auf, obwohl sie ihrerseits eine namhafte Konkurrentin im Schlepptau mitbrachte. Eine dritte Niederländerin machte derweil im Peloton Tempo – und mithin die Arbeit der beiden anderen zunichte.
Das machte das Rennen freilich so schwer, dass die belgische Titelverteidigerin Lotte Kopecky bei nervigem Regen allmählich Schwächen zeigte. Als die 28jährige abgehängt war, ließ die ein Jahr jüngere Demi Vollering indes zum wiederholten Mal in diesem Jahr taktisches Gespür vermissen: Statt möglichst lange davon zu profitieren, dass die sprintstarke Dreifachweltmeisterin Marianne Vos ihrerseits eine Gefahr für den Rest der kleinen Spitzengruppe bedeutete, erschöpfte der aktuell größte niederländische Star die routinierte Kollegin wiederholt mit eigenen Beschleunigungen – nur um dann von Konkurrentinnen vergeblich die anteilige Übernahme der Führungsarbeit einzufordern.
So konnte Kopecky 14 Kilometer vorm Ziel wieder dazustoßen und vor der vorübergehend ebenfalls ins Hintertreffen geratenen 27jährigen US-Amerikanerin Chloé Dygert und der 32jährigen italienischen Mitfavoritin Elisa Longo Borghini schließlich zum Sieg sprinten. Vollering wurde, nachdem sie im Zeitfahren Zweite hinter der 32jährigen Australierin Grace Brown geworden war, nur Fünfte. Solche Zahlen verblassten freilich angesichts der Hauptnachricht dieser WM: dass nämlich die 18jährige Schweizerin Muriel Furrer am Donnerstag unter ungeklärten Umständen im Juniorinnenrennen gestürzt und tags darauf gestorben war.
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