Die Blockade durchbrechen
Von Volker HermsdorfNicht nur in Gaza und Libanon, Jemen und in der Ukraine sehnen sich die Menschen nach Frieden. Auch die Bevölkerung in anderen Teilen der Welt ist Opfer von Kriegen, die mit Bomben, aber auch mit Sanktionen geführt werden. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez wies am Sonnabend in der UN-Vollversammlung darauf hin, dass die US-Blockade gegen sein Land »als eine der wichtigsten Aggressionswaffen konzipiert wurde«, die darauf abziele, »den Zusammenbruch der Wirtschaft zu provozieren und eine Situation politischer und sozialer Instabilität herbeizuführen«. Die seit sechs Jahrzehnten gegen den Protest der Welt gegen Kuba aufrechterhaltene Blockade sei »ein Instrument der offenen Kriegführung, um unser Land zu ersticken«, prangerte die Tageszeitung Granma am Dienstag an.
Seit mehr als 60 Jahren bewahrheitet sich für die kubanische Bevölkerung, dass man nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Die verschärfte US-Blockade hat den rund zehn Millionen Bürgern Kubas im vergangenen Jahr materielle Schäden in Höhe von mehr als fünf Milliarden US-Dollar zugefügt. Zwischen März 2023 und Februar 2024 entstanden jeden Monat Verluste in Höhe von 421 Millionen Dollar. Pro Tag entsprach der zugefügte Schaden einem Betrag von 14 Millionen Dollar (etwa 12,7 Millionen Euro). Viel Geld, das überall fehlt, zum Beispiel für den Import von Lebensmitteln, für Medikamente und Treibstoff.
Die Blockade behindert den Transport, die Stromversorgung und andere Grundleistungen. Sie sei ein »Akt des Völkermordes«, hatte Rodríguez in demselben Saal vor einem Jahr unter Verweis auf die Genfer Konvention von 1948 erklärt. Laut diesem Abkommen kann die vorsätzliche Auferlegung derartiger Lebensbedingungen über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren als versuchter Völkermord gesehen werden. Havannas Chefdiplomat fügte hinzu, dass die USA Kuba zwar im Mai von ihrer Liste der Länder gestrichen hätten, die bei der Terrorismusbekämpfung nicht uneingeschränkt kooperierten, sie es aber auf der US-Liste staatlicher Sponsoren des Terrorismus beließen. Das habe weitere schwerwiegende Einschränkungen, etwa beim Zugang zum internationalen Finanzsystem zur Folge. Washington betreibe mit seiner Politik gegenüber Kuba eine »Philosophie der Enteignung«, die letztlich zur »Philosophie des Krieges« führe, hatte der 2016 verstorbene Revolutionsführer Fidel Castro bereits 1960 vor der UN-Vollversammlung gewarnt.
Mindestens elf Staats- und Regierungschefs verlangten in der am Montag beendeten Generaldebatte, Kuba von der Liste der Terrorunterstützer zu streichen, berichtete AP. Nachdem US-Präsident Barack Obama das Land 2015 von dieser willkürlich festgelegten Liste entfernt hatte, wurde es unter Donald Trump 2021 in den letzten Tagen seiner Amtszeit wieder hinzugefügt. Trotz gegenteiliger Wahlkampfversprechen hat der scheidende Präsident Joseph Biden das nicht geändert. Am 20. September haben deshalb 600 Parlamentarier aus 73 Ländern, darunter Deutschland und die Schweiz, einen offenen Brief veröffentlicht, in dem die USA aufgefordert werden, Kuba von dieser Liste zu streichen. Die Unterzeichner stellen fest, dass die Einstufung nach Ansicht von UN-Experten »grundlegende Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Nahrung, des Rechts auf Gesundheit, des Rechts auf Bildung, der wirtschaftlichen und sozialen Rechte, des Rechts auf Leben und des Rechts auf Entwicklung« unterminiert habe.
Zuvor hatten Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates im Juli an die US-Regierung appelliert, »allen ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen voll nachzukommen und unverzüglich Maßnahmen zur Beendigung solcher Einschränkungen zu ergreifen«. Sogar die Bundesregierung »setzt sich mit ihren EU-Partnern dafür ein, dass Kuba von der Liste der staatlichen Terrorunterstützer gestrichen wird«, so Außenamtssprecher Christian Wagner vergangene Woche zu den Nachdenkseiten. »Das wäre ein wichtiger Schritt auch zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Kuba.«
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