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Aus: Ausgabe vom 02.10.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Juristenverband VDJ: Bürger als potentielle Gefährder

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Die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) warnte am Montag vor dem »Sicherheitspaket« der Bundesregierung:

Die Regierungskoalition hat am 9. September 2024 ein »Sicherheitspaket« in den Deutschen Bundestag eingebracht. Der Gesetzentwurf soll einer »Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems« dienen. Dahinter versteckt sich jedoch eine fundamentale Verschiebung im Verhältnis von Staat und Bürger und ein weiterer Angriff auf das Recht auf Asyl. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) blickt mit großer Sorge auf die politischen Reaktionen nach dem Attentat von Solingen. Anlasslose Personenkontrollen, eine Ausweitung der Überwachung im Internet und eine Verschärfung der Sanktionen im Asylbewerberleistungsgesetz führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer weiteren Entgrenzung von staatlichen Eingriffen.

(…) Zukünftig sollen auf vielgenutzten Straßen und Plätzen, in Einkaufszentren, bei Volksfesten, in allen öffentlichen Zügen und Bahnhöfen und an vielen weiteren Orten anlasslose Kontrollen ermöglicht werden. Bei solchen Kontrollen überprüft die Polizei die Identität ohne konkreten Verdacht. Die Betroffenen werden anlasslos Adressaten einer polizeilichen Maßnahme. Solche Kontrollen gehen nicht nur mit der Gefahr eines verfassungs- und menschenrechtswidrigen Racial Profiling einher. Die anlasslosen Kontrollen verschieben zugleich das Verhältnis von Staat und Bürger:innen. Die Möglichkeit, sich frei von staatlicher Kontrolle zu bewegen, wird weiter reduziert. Der Grundsatz, dass Eingriffe in die Freiheitsrechte nur aus gutem Grund möglich sind, wird für den öffentlichen Raum de facto aufgehoben. Wer auf die Straße geht, macht sich bereits verdächtig. Noch vor wenigen Jahren wären Übergriffe des Staates in diesem Ausmaß undenkbar gewesen, weil die Menschen einen Raum der Privatheit und Unberührtheit von Staat und Überwachung für sich reklamiert hätten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind Ausdruck und Verschärfung einer Grenzüberschreitung im Verhältnis des Staates zu seinen Bürger:innen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen bedeuten für zahlreiche Menschen mehr Unsicherheit in ihrem Alltag. (…) Nach dem jetzigen Entwurf soll die Polizei mehr Möglichkeiten für eine Fahndung mit biometrischen Daten im Internet erhalten. Auch Big-Data-Anwendungen sollen erlaubt werden. (…) Durch die neuen Befugnisse wäre die Anonymität im Internet Geschichte.

Neben neuen Überwachungsmaßnahmen enthält das Gesetz insbesondere Angriffe auf Menschen mit Fluchtbiographien. Für Asylsuchende, die nach der Dublin-Verordnung in einem anderen Staat registriert wurden, plant die Ampel einen vollständigen Entzug von Sozialleistungen. Dieser Leistungsentzug dient der Abschreckung und steht damit im Konflikt zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. (…)

Mehr Sicherheit heißt in einem Rechtsstaat geordnete Verfahren und Grundrechtsbindung. Eingriffe der Hoheitsträger in Grundrechte müssen die Ausnahme und ultima ratio bleiben. Die VDJ fordert, das Gesetzespaket zurückzunehmen. Die Pläne der Regierung drohen gleichermaßen die Grundrechte von Geflüchteten wie von deutschen Staatsangehörigen zu verletzen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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