Der E-Auto-Lobby stinkt’s gewaltig
Von Wolfgang PomrehnEigentlich ist das Aus für Benzin und Diesel im Straßenverkehr besiegelt. Ab 2035 dürfen Neuwagen (Pkw und Lieferwagen) keine Treibhausgase mehr emittieren. So hatten es EU-Parlament und Ministerrat im März 2023 beschlossen und die entsprechende EU-Verordnung verschärft. Politiker, häufig aus dem konservativen Lager, laufen aber seitdem gegen diese Industriepolitik Sturm, und der Verband der Europäischen Automobilindustrie (ACEA) verlangt, die Anforderungen herunterzuschrauben, weil der Industrie saftige Strafen drohen.
Hersteller von Elektroautos wie Polestar aus Schweden – Besitzer ist der chinesische Konzern Geely – oder Rivian aus den USA haben hingegen kein Interesse, dass ihrer fossilen Konkurrenz die Daumenschrauben gelockert werden. Gemeinsam mit 47 anderen Unternehmen, wie dem spanischen Energiekonzern Iberdrola, dem dänischen Logistikgiganten Mærsk oder der britischen Supermarktkette Tesco haben sie zu Beginn der Woche eine Erklärung veröffentlicht, in der sie ein Festhalten an der derzeitigen Politik einfordern. »Das Ziel für 2035 gibt uns eine klare Richtung vor«, heißt es in dem Text.
Das Ziel, die Emissionen der Neuwagen 2035 auf null zu drücken, sei nicht nur notwendig, sondern auch machbar. »Wir rufen die Entscheidungsträger daher dazu auf, die Verhandlungen über die Neuwagenstandards 2026 nicht wieder aufzurollen«, heißt es in der Erklärung weiter. Statt dessen müssten die Akkuproduktion hochgefahren, die Ladeinfrastruktur aufgebaut, die Stromversorgung klimafreundlicher, Firmenflotten umgestellt und Beschäftigte geschult werden.
Hintergrund der ACEA-Klagen ist derweil, dass der Absatz der Elektroautos zuletzt stark zurückgegangen ist. Damit steigen die durchschnittlichen Emissionen der verkauften Wagen, die für das Einhalten der EU-Normen maßgeblich sind. Ab 2025 dürfen die Emissionen gemittelt über alle in einem Jahr zugelassenen Neufahrzeuge eines Herstellers 93,6 Gramm pro Kilometer nicht übersteigen. Für Lieferwagen liegt diese Norm bei 153,9 Gramm pro Kilometer. Für jedes Gramm, das der Durchschnitt eines Herstellers höher liegt, wird dieser pro verkauftem Wagen 95 Euro Strafgebühr zahlen müssen. Da viele Verbrenner die Richtwerte deutlich überschreiten, kann der Durchschnitt nur mit dem Verkauf einer ausreichenden Zahl von E-Autos aus eigener Herstellung gedrückt werden. Doch da hapert es. Die europäischen Hersteller haben offensichtlich wenig zu bieten, was Kaufinteressenten locken könnte.
Aber: Für die Käufer sind Neuwagen mit Verbrenner zuletzt deutlich teurer geworden. Die durchschnittlichen Preise für die 20 beliebtesten Verbrenner haben sich seit April kräftig erhöht, wie eine Auswertung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer ergab. Rund 33.000 Euro kosteten Autos mit Verbrennungsmotoren im Schnitt. Das waren gut zehn Prozent mehr als noch im April. Bei den wichtigsten Elektroautos verlief der Anstieg deutlich langsamer. Hier ging es um gut vier Prozent auf 40.500 Euro nach oben. »Es scheint sich eine Strategie durchzusetzen, durch höhere Preissteigerungen bei den Verbrennern langsam den Preisunterschied zu verringern«, schreibt Dudenhöffer in seiner Studie, über die dpa am Dienstag berichtete.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2022 im Straßenverkehr EU-weit 760 Millionen Tonnen CO2 emittiert: Gegenüber 1990 war das eine Zunahme von 24 Prozent. Etwa 60 Prozent kamen aus dem Auspuff von Pkw, für 27 Prozent waren Lkw und Busse verantwortlich und für den Rest kleinere Lieferwagen. Insgesamt beträgt der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen in der EU 13 Prozent. Die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen geht sogar von 18 Prozent aus.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!