Rotlicht: Neurolinguistisches Programmieren
Von Christoph HorstEsoterische Angebote haben es in einigen Milieus leicht, Fuß zu fassen, wenn sie ihr Geschwurbel in wissenschaftlich klingende Begriffe kleiden. Ganz besonders gilt dies für den privatwirtschaftlich organisierten Sektor der schulbezogenen Dienstleistungen wie Nachhilfe und im Bereich der Weiterbildung für Pädagogen. Ob diese Begriffe mit Inhalt gefüllt sind, ist dann nebensächlich. So geht es beim Neurolinguistischen Programmieren (NLP) nicht um Neurowissenschaften und auch nicht um Linguistik. Und das Versprechen des Programmierens bedient auch nur einen alten pädagogischen Traum, denn tatsächlich wirkt an der ganzen Psychotechnik nichts.
Es lässt sich natürlich nicht nachweisen, dass NLP nicht funktioniert; Nichtexistenz lässt sich nicht abschließend beweisen. Aber im Umkehrschluss bleibt NLP seit seiner Entstehung in den 1970er Jahren einen Wirksamkeitsnachweis schuldig. Und das trotz höchster Versprechungen, mittels psychologischer Kommunikation allerbeste Lernerfolge und »innere Zufriedenheit« zu erzielen. Aktuelle Buchtitel zum NLP suggerieren, es gebe »magische Tricks bei Ängsten, Mobbing und Schulproblemen« und gelte, »innere Saboteure« aufzuspüren, damit das »Denken eine neue Richtung« einschlagen könne.
Die Techniken des NLP sind simpel. Der Lehrer stelle sich auf sein Gegenüber sprachlich ein und verändere dann schrittweise die eigene Sprache, um den anderen dadurch im eigenen Sinne zu beeinflussen. Oder: durch die Blickrichtung beim Nachdenken verrate der Schüler seine Denkweise und könne dann gezielt »manipuliert« werden, also an seinem Wollen vorbei könne ein zweites Wollen aufgebaut werden, ohne dass er sich seines »eigentlichen« Wollens noch bewusst wäre. Bei einer anderen Technik soll Gesagtes durch Druck auf Körperpunkte »verankert« werden. Den Schüler das Gewünschte sagen lassen, beide Schultern fest drücken und schon sei der Inhalt im kindlichen Gehirn abgespeichert.
So einen Blödsinn können Lehrer in Seminaren lernen, die sehr selbstbewusst das Ende aller schulischen Probleme versprechen. Auch in anderen beruflichen Handlungsfeldern als im Bildungswesen findet NLP Anhänger, beispielsweise in der sozialen Arbeit oder in der dubiosen Szene des Personalmanagements. Denn die von den NLP-Anhängern behauptete einfache Lösungsfindung für jede Schwierigkeit ist vielversprechend für alle, die mit Menschen arbeiten, die nicht immer das machen, was sie sollen. Einfach ein paar Psychotricks anwenden und schnell Erfolg haben, lautet die Werbeformel.
Selbstverständlich müssen für die richtige Anwendung mehrere kostspielige Seminare besucht werden, die zum Teil sogar über die Gesetzgebung für Bildungsurlaube zertifiziert sind. Gelehrt wird darin nichts, es wird »gecoacht«. Auch akademisch klingende Titel (NLP-Practicioner, NLP-Mentalcoach Master etc.) kann man sich dadurch kaufen. Eines der in jeder größeren Stadt zu findenden Institute für NLP-Schülercoaching wirbt mit dem ehrlichen Slogan »Es wirkt einfach …« Darin ist enthalten, dass der ganze Ansatz, wissenschaftlich freundlich formuliert, ungesichert ist, aber auch, dass dies egal ist, solange »es« bei der Tochter eines Freundes irgendwie funktioniert hat.
Beim NLP soll Schülern nicht etwas beigebracht, sondern ihr Wesen therapiert werden. Dahinter steht ein durchaus affirmatives Menschenbild. Denn im NLP kommt es nicht darauf an, sich mit einem Lernstoff auseinanderzusetzen – Inhalte verschwinden hinter der Methode – sondern sich positiv zu ihm zu verhalten. Es müssen also die Schülergehirne so »manipuliert« werden, dass ein Erfolg – gemessen am jeweils gültigen gesellschaftlich-politischen Ideal – vom Schüler hinlänglich gewollt wird. Auf jeden Fall soll das Bestehende bejaht werden. In den Worten eines NLP-Coaches: »Im Hier und Jetzt gibt es keine Probleme.« Außer dem, dass der einzelne mit sich selbst hat und das dann in die Zuständigkeit eines in NLP geschulten Pädagogen fallen soll. Eine pädagogische Beziehung wird dadurch zur Psychoherrschaft.
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