Schule der »Einzeltäter«
Von Bernd Kant»Die Grenzen zwischen vermeintlich gemäßigter parlamentarischer Rechter in Form der AfD und klassischen, offen völkisch-rassistischen Neonazis waren schon immer brüchig und befinden sich längst in Auflösung.« Mit dieser Einschätzung leitet das antifaschistische Netzwerk Recherche Nord eine im September veröffentlichte umfangreiche Studie zu der neonazistischen Denkfabrik »Metapol« ein.
Aus seiner Sicht handelt es sich nicht um die üblichen »Hinterzimmertreffen«, sondern es sieht darin einen Versuch der ideologischen Vernetzung extrem rechter Kader. AfD-Politiker und ein Social-Media-Stratege der Partei versuchten gemeinsam mit »Junge Nationalisten« (JN) und anderen Neonazistrukturen Möglichkeiten der »kommenden Revolution« auszuloten.
Tatsächlich gibt es dieses neonazistische Verlagsnetzwerk schon seit 2019, den Blog »Gegenstrom« sogar schon seit 2017. Recherche Nord beobachtet deren Treiben seit einiger Zeit und konnte bereits mehrere Treffen ausmachen, selbst wenn deren Zusammenkünfte sehr konspirativ organisiert wurden. Am 14. September 2024 versuchte »Metapol«, aus diesem klandestinen Rahmen auszubrechen, und lud über die szenetypischen Kanäle zu einer Veranstaltung unter dem Titel »Was tun? Brennende Fragen der deutschen Rechten – Strategie und Taktik der echten Rechten zwischen Massenpartei und Avantgarde von der Theorie zur Praxis« nach Thüringen ein.
Wie bei solchen Tagungen üblich, erfuhren die Teilnehmer den Ort der Versammlung erst nach Anmeldung und wenn sie bereits etablierte Bürgen vorweisen konnten. Um eine größere Resonanz in der rechten Szene zu erreichen, kündigte man sogar die Teilnahme von AfD-Funktionären wie der ehemaligen Landesvorsitzenden der AfD Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, und Tim Krause vom Landesvorstand der AfD Brandenburg an. Angekündigt wurde ebenfalls der Social-Media-Stratege der AfD, Erik Ahrens, der erläutern sollte, wie »rechte Weltanschauung in alle Lebensbereiche der Jugend« getragen werden könne. Aus der Recherche geht nicht hervor, wer von diesen »rechten Promis« tatsächlich teilgenommen hat.
Doch das ist nur bedingt interessant. Wichtig aus antifaschistischer Perspektive ist, dass sich mit »Metapol« ein weiterer Akteur der extremen Rechten auf dem Feld der ideologischen Vernetzung tummelt. Die Ankündigung der Tagung vom 14. September zeigt, dass man glaubt, durch die formelle Auflösung des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) um Götz Kubitschek hier ein Vakuum füllen zu können. Anders als Kubitschek, der im Sinne von Björn Höcke und der AfD eine Modernisierung der extremen Rechten anstrebt, denkt man hier – im Sinne der NPD/»Die Heimat« – über eine Radikalisierung nach. Das überrascht nicht, findet man doch unter den Aktivisten von »Metapol« mehrere Namen, die in der Vergangenheit in der Ideologiearbeit der JN aktiv waren.
Ein interessantes Ergebnis der Studie ist, wie »Metapol« am Aufbau eines politischen Vorfeldes mit Netzwerken, Initiativen und Einzelpersonen außerhalb von Parteien arbeitet. Seminare und Strategietagungen sind der Rahmen, in dem man sich trifft, weitere Schritte plant und Umsetzungen debattiert. Mit dieser Strategie zielt »Metapol« auf eine Verbindung zwischen dem klassisch neonazistischen Klientel und der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA). Zwei Beispiele: Im Februar 2023 war »Metapol« Mitgestalter einer Strategiekonferenz der JA Niedersachsen und im November nahm im niedersächsischen Brettorf an einem Regionalseminar nahezu der gesamte Bundesvorstand der JN teil.
Wie schon Björn Höcke bei seinen Auftritten vor der JA gezeigt hat, wird dort neofaschistischer Klartext durchaus goutiert. Während der Rassismus der »Neuen Rechten« mit dem Begriff des »Ethnopluralismus« umschrieben wird und man nur »unter sich« in aller Klarheit von »Massenaustreibung« spricht, propagiert »Metapol« offen einen biologistischen Rassismus. Vergleichbar den militanten Strukturen der amerikanischen »Alt-Right«-Bewegung, glaubt man sich heute in einem »Krieg gegen die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen«. Solche Thesen kommen an. Die Gefahr neofaschistischer Denkfabriken liegt nicht so sehr darin, dass sie mit ihren Thesen Massen erreichen, sondern dass – wie schon mehrfach erlebt – einzelne sich durch solche Debatten tatsächlich zu terroristischen Aktionen motiviert sehen – und dann war es mal wieder ein »Einzeltäter«.
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