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Aus: Ausgabe vom 04.10.2024, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Datei vom Tisch

Von René Lau
Der Fananwalt_Logo ONLINE.jpg

Fußballfans werden oft von Leuten verteufelt, die von Fankultur nichts verstehen oder sich einfach nicht mit der Materie beschäftigen wollen. Für diesen Teil der Gesellschaft sind Fans notorische Straftäter, die lange hinter dicken Mauern mit vergitterten Fenstern verschwinden sollten. Gleichwohl dürfte sich seit der Coronazeit der Blick auf Fußballfans geändert haben: Zahlreiche Ultras haben bekanntlich zugepackt, haben sich aktiv in die Gesellschaft eingebracht. Hinzu kommen die jährlichen Sonderaktionen einzelner Fanszenen, wo für karitative Zwecke gesammelt wird.

Fußballfans sind auch in einem Bereich unterwegs, von dem kaum jemand weiß. Mich als Fananwalt freut das besonders, geht es doch ums Recht. Fans machen nicht bloß mit Transparenten im Stadion auf Missstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam, sondern sind oft auch Adressaten rechtlicher Sanktionen der Polizei. Durch entsprechende Klagen gegen solche Maßnahmen schaffen sie wiederum Möglichkeiten für andere Personen, die sich staatliche Repression nicht gefallen lassen wollen.

In das weite Feld staatlicher Repression fallen etwa polizeiliche Datenbanken, in denen die Polizei mit der ihr eigenen Sammelwut nicht müde wird, möglichst alles über jeden von uns zu speichern. Für Fußballfans hat der Staat dafür die sogenannte Datei Gewalttäter Sport erfunden. Eine Datei, in der mitnichten allein Gewalttäter eingetragen sind. Bereits eine einfache Feststellung der Personalien kann dazu führen, in dieser Datei zu landen. Ohne darüber informiert zu werden. Davon erfährt der Fan möglicherweise erst von der Bundespolizei, wenn die den Fan bei der nächsten Urlaubsreise am Flughafen nicht ausreisen lassen möchte.

Gerade haben zwei Fußballfans aus München und Bremen gegen diese Datei vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt – und recht bekommen. Nicht nur die Art und Weise, wie bzw. wie schnell Fans in diese Datei kommen, sondern auch die Schwierigkeit, wieder rauszukommen, ist vom höchsten deutschen Gericht bemängelt worden. Die Schwelle für die Eintragung sei viel zu gering, eine Löschfrist von zehn Jahren zu lang, zumal sie sich bei einer weiteren Eintragung auch noch verlängert. Das alles sei rechtswidrig und intransparent, müsse vom Gesetzgeber bis zum nächsten Sommer korrigiert werden. Wäre gar nicht nötig gewesen, wenn sich die Ampel an den Koalitionsvertrag von vor drei Jahren gehalten hätte, in dem eine rechtliche Aufarbeitung der Datei versprochen wurde. Geschehen ist natürlich nichts.

Der Gesetzgeber könnte das alles abkürzen: Seit Jahren fordern wir Fan­anwälte die Abschaffung der rechtswidrigen Datei. Haute man sie in die Tonne, wäre das leidige Thema vom Tisch, der Rechtsstaat hätte gewonnen. Das jetzige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Anlass genug.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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