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Aus: Ausgabe vom 04.10.2024, Seite 1 / Titel
Kriegsgegner

Zehntausende für Frieden

Erfolgreiche Demonstration gegen Krieg und Hochrüstung in Berlin. Redner für Diplomatie statt Waffen
Von Daniel Bratanovic
Im Sternmarsch zur großen Manifestation für den Frieden (Berlin, 3.10.2024)

Es war der von den Veranstaltern erhoffte große Protest gegen Krieg und Hochrüstung. Wie viele Menschen letztlich am Donnerstag an der Friedensdemonstration in Berlin teilgenommen haben, ist eine Angelegenheit des politischen Interesses. Die Polizei, in kreativem Zählen geübt, sprach von maximal 10.000 Teilnehmern, die Veranstalter von der Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder« hingegen von mindestens 40.000, was auch der Einschätzung von jW-Beobachtern entspricht. Nach entsprechenden Kundgebungen im Februar und November 2023 war dies die dritte große Manifestation gegen die fortschreitende Militarisierung in der Bundesrepublik, seit russische Truppen am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert waren.

Einigkeit bestand bei allen Rednern der Schlussveranstaltung an der Berliner Siegessäule darüber, dass die Aufrüstung des Landes und eine weitere Eskalation des Krieges durch das Agieren der NATO-Staaten beendet werden und an deren Stelle Demilitarisierung und Diplomatie treten müssten. Als aber Ralf Stegner sprach, ertönten Pfiffe. Der SPD-Bundestagsabgeordnete hatte Waffenlieferungen an die Ukraine zulässig genannt, solange das Land sich damit verteidige. Seine eigene Partei bezeichnete er mit einiger Vermessenheit als Partei der Friedensbewegung.

Abschlussrednerin Sahra Wagenknecht vom BSW widersprach und sagte: »Die SPD von Olaf Scholz und Boris Pistorius ist sicher nicht Teil der Friedensbewegung.« Sie sei aber froh, dass es Leute in der Partei gebe, die einen anderen Kurs forderten. Am »Tag der deutschen Einheit«, sagte Wagenknecht, solle man mit Dankbarkeit an Michail Gorbatschow denken, der die »Wiedervereinigung« ermöglicht und die Hand zum Frieden gereicht habe. Sie warnte davor, dass aus dem Krieg in der Ukraine ein großer europäischer Krieg werden könne, und nannte vor diesem Hintergrund Außenministerin Annalena Baerbock »ein Sicherheitsrisiko für Deutschland«. Vor der BSW-Chefin sprach CSU-Urgestein Peter Gauweiler, der beklagte, die Bundeswehr habe mit dem Krieg gegen Jugoslawien ihr Gründungsversprechen gebrochen, dass nämlich die Streitkräfte nur zur Landesverteidigung einzusetzen seien. Gesine Lötzsch wiederum, Bundestagsabgeordnete von Die Linke, erinnerte an die geschäftsmäßige Seite eines jeden Krieges: »Im Krieg gewinnen immer Reiche. Es gibt immer solche, die am Krieg verdienen, das müssen wir laut und deutlich sagen.«

Die Großveranstaltung hatte am Mittag mit drei Auftaktkundgebungen im Berliner Westen begonnen, an denen bereits Tausende Menschen teilnahmen. Dortige Redner machten auf den Zusammenhang von Aufrüstung und Sozialkürzungen aufmerksam, forderten ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel, und betonten immer wieder das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser.

Gegner der Veranstaltung mit einem dezidiert proukrainischen und/oder proisraelischen Standpunkt flankierten vereinzelt die Demonstrationszüge. Zum Protest hatte ein Bündnis von Ukrainern in Deutschland namens Vitsche aufgerufen. Redner bei dieser Veranstaltung war der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth, einer der emsigsten Befürworter der Lieferung von Kriegsmaterial in die Ukraine. Vor rund 300 Gegendemonstranten in direkter Nachbarschaft zur Manifestation der Kriegsgegner erklärte er: »Ich bin ein Linker. Aber ich bin ein emanzipatorischer Linker.« Nach Polizeiangaben ist es zu keinen nennenswerten Vorkommnissen gekommen.

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  • Leserbrief von Karl-Heinz Schmidt aus Helmstedt (4. Oktober 2024 um 09:20 Uhr)
    Ich möchte mich bei allen Organisatoren'innen, Unterstützern'innen, Redner'innen und Teilnehmer'innen bedanken. Das war eine tolle Manifestation für den Frieden. Etwas deplatziert fand ich die Rede von SPD-Stegner. Ein Vertretet einer Kriegspartei gehört nicht aufs Podium. Um so erfreulicher war der Auftritt von Sahra Wagenknecht vom BSW. Sie sprach mir aus dem Herzen und bewies einmal mehr ihre Stellung als Superstar der Friedensbewegung.
  • Leserbrief von Andreas Eichner aus Schönefeld (4. Oktober 2024 um 07:20 Uhr)
    Ja, es war eine großartige Friedensdemo. Viele Menschen unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Herkunft haben ein großes Ziel – die Beendigung aller Kriege auf der Welt und den Einsatz von Diplomatie zur Lösung inner- und zwischenstaatlicher Konflikte. Dass die Mainstreammedien den Protest kleinreden wollen, war vorherzusehen. Ich war als Leiter des Zuges vom Gleisdreieck im ständigen Kontakt zur Polizei und war und bin sehr froh, dass es dieses Mal keinerlei Provokationen und Übergriffe wie zum Beispiel bei der Liebknecht-Luxemburg-Demo im Januar dieses Jahres gab. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, dafür habe ich unserem Verbindungsbeamten ausdrücklich gedankt. Es hätte auch anders kommen können, da wir einen sehr großen Block palästinensischer Menschen bei uns hatten. Den einzigen Dissens gab es bei der Teilnehmerzahl. Zuerst sprach die Polizei für unseren Block von unter 8.000 Teilnehmern. Doch als die Nachricht kam, dass die letzten Teilnehmer den Platz am Gleisdreieck verlassen haben und die Spitze des Zuges schon an der Potsdamer Straße war, wurde deutlich nach oben korrigiert – 30.000 bis 35.000 Teilnehmer allein in diesem Zug. Wahrscheinlich haben die Veranstalter am Großen Stern unseren Zug noch gar nicht eingerechnet. Als wir ankamen, war es nahezu unmöglich auf den Großen Stern zu kommen. Die Menschen standen dicht an dicht und das trotz teilweise Regen. Also sollte man diese Teilnehmer hinzurechnen. Auch die Hubschrauberbilder des RBB sprechen eine andere Sprache. Persönlich fand ich unschön, dass der mutige Ralf Stegner von der SPD ausgebuht wurde. Auch ich lehne seine Äußerungen größtenteils ab, bewundere aber seinen Mut, sich dem zu stellen. Wir sollten uns das endlich angewöhnen – die Friedensbewegung hat viele Facetten und wir können nur weiter Erfolg haben, wenn wir das akzeptieren. Auf zur nächsten Großdemonstration – die Welt hat sie nötig.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (4. Oktober 2024 um 07:00 Uhr)
    Meine Gedanken beim Lesen der Berichte über die Demo am 3. Oktober: 40.000 Teilnehmer klingt gut, ist aber kein Grund zu frohlocken. In den 1980er Jahren war die Kriegsgefahr nicht so groß wie heute. Dafür waren es 400.000 Teilnehmer, das Zehnfache. Unlängst rief die Bundesregierung zu Demonstrationen nach dem Geheimtreffen in Potsdam auf. Diesem Aufruf folgten ebenfalls wesentlich mehr Demonstrationsteilnehmer – bundesweit. Wer bei der Demo am 3. Oktober dabei war, kann das sicher besser beurteilen als ich von hier aus der Ferne. Aber das Foto, welches die Berliner Zeitung (Onlineausgabe) heute von der Abschlusskundgebung an der Siegessäule veröffentlicht, deprimiert mich zutiefst. Man sieht zu 95 Prozent die Generation über 50. Das ist scheinbar die »letzte Generation«, die wegen dieser Thematik auf die Straße geht, abgesehen von einigen Jüngeren, die aber klar in der Minderheit sind. Die neoliberale Propaganda hat ganze Arbeit geleistet, sowohl was die Teilnehmerzahlen anbelangt als auch beim Ablenken der Jugend hin zu anderen Interessen und Themen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (4. Oktober 2024 um 10:53 Uhr)
      Lieber Fred Buttkewitz, ich lese Ihre Leserbriefe immer mit viel Genuss und Freude. Ja, die Bilder mögen das so darstellen. Aber ich war selbst vor Ort als Leiter eines der Demonstrationszüge (vom Gleisdreieck) und bei uns waren deutlich mehr junge und ganz junge Friedensfreundinnen und Friedensfreunde. Leider ist es so, dass die Mainstreammedien Deutschlands versuchen, das Bild zu verzerren. Und es gelingt meist. Aber ich kann versichern, dass in »meinem« Zug sicherlich die Hälfte der Teilnehmer unter 50 war, zum Teil sehr weit darunter. Und interessant war auch, dass sich internationale Medien von Japan bis Australien, aus den USA und ganz Europa für diese Manifestation interessiert haben. Und auch die Teilnehmerzahl von 40.000 zweifle ich an, auch wenn die Zahl vom Veranstalter stammt. Allein mein Zug hatte nach Polizeiangaben(!) mir gegenüber 30.000 bis 35.000 Teilnehmer. Als wir am Großen Stern ankamen war es kaum möglich auf den Platz zu kommen. Leider hat einsetzender Regen und die Marschmüdigkeit vieler Teilnehmer dafür gesorgt, dass es sich sehr schnell leerte.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (3. Oktober 2024 um 21:17 Uhr)
    »Am ›Tag der deutschen Einheit‹, sagte Wagenknecht, solle man mit Dankbarkeit an Michail Gorbatschow denken, der die ›Wiedervereinigung‹ ermöglicht und die Hand zum Frieden gereicht habe.« Ich schätze Sahra Wagenknecht, weil sie sich entschieden hat, der von allen guten Geistern verlassenen PdL, den Rücken gekehrt und eine Partei gegründet hat, die als linke Kraft viele Stimmen bei den letzten Wahlen hinter sich vereinigen konnte. Dennoch gibt es einige Merkwürdigkeiten bei den Aussagen von Wagenknecht, die ich nicht unterschreiben würde. Ihre wenig durchdachten Äußerungen bezogen auf den Ausgangspunkt und die Vorgeschichte des Ukraine-Konfliktes gehören dazu. Und das obige Zitat ist ein Tiefpunkt in der Argumentation Wagenknechts. Wer einem Gorbatschow Dankbarkeit entgegenbringt, der hat sein Wirken vor und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht verstanden. Und er hat nicht verstanden, dass Gorbatschow seinem Heimatland durch Unterlassung enormen Schaden zufügte, der heute im NATO-Krieg gegen Russland seinen bisherigen Höhepunkt gefunden hat. Von dem Schaden, den Gorbatschow den Bürgern der DDR und der anderen Staaten des RGW zugefügt hat, ganz zu schweigen.
    • Leserbrief von Reinhard Schmiedel aus 99425 Weimar (4. Oktober 2024 um 12:13 Uhr)
      Auf der Demo beeindruckte mich gestern besonders ein von einer Demonstrantin am Breitscheidplatz getragenes handgeschriebenes Plakat mit dem Text: »Russland kein Feind – Russen keine Feinde.« Das wäre der Schlüssel zum Frieden in Europa, wenn wir uns endlich wieder produktiv und konstruktiv zur Zusammenarbeit mit der gegenwärtigen Russischen Föderation aufraffen würden, auch mit deren klugen Präsidenten Wladimir Putin – staatlicherseits und von den Leuten her. Das ist der Untertext des Plakats. Die Russen haben den Krieg nicht angefangen. Das waren die USA und im Schlepptau die EU und besonders diensteifrig leider bereitwillig wir Deutschen – eine Schande für uns. Da schon vielfach auch unter den Leserbriefschreibern bewiesen, muss ich das jetzt nicht neu vertiefen. So viel wie ich kann, fahre ich dank des unkomplizierten von der RF per Internet bereitgestellten 16-Tage-Visums (was hoffentlich bald erweitert wird) in die Russische Föderation (trotz der enormen von hier aus organisierten Hindernisse betreffs der Reise dorthin), bewundere die großartige optimistische Atmosphäre dort, die hohe Bildung, Kultur. Kategorien wie Hass, »das Böse«, was hier so wichtig ist, sind dort fremd. Und sie verehren immer noch Westeuropa, explizit das Deutsche, wären zur Zusammenarbeit mit Deutschland (und der westlichen Welt) sofort bereit. Komischerweise scheint die neue Mauer der EU in Richtung Russland hier niemanden zu stören. Der dem ehemaligen DDR-Bürger wohlbekannte Ruf »Die Mauer muss weg« wäre in diesem Fall mehr als angebracht. Somit hoffe ich, dass die neue Friedensbewegung seine Ressentiments gegenüber dem gegenwärtigen Russland abbaut. Wir hatten z. B. schon einmal den »St.Petersburger Dialog«. Das sollte wiederkommen. Dennoch – und das sei hier unterstrichen – war die gestrige große Friedensdemo insgesamt eine große, allerhöchst beeindruckende Manifestation! Dank allen so besonnenen, leidenschaftlichen Organisatoren!
    • Leserbrief von Franz Döring (4. Oktober 2024 um 10:50 Uhr)
      Frau Wagenknecht selbst hat ausdrücklich betont, dass das BSW keine (!) linke Partei ist! Schauen Sie mal Ihre Ausländer- und Asylpolitik an!
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (4. Oktober 2024 um 11:12 Uhr)
        Werter Herr Döring, da kann ich nicht zustimmen. Eine linke Partei zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie im Bereich Asyl und Ausländerpolitik für offene und unkontrollierte Einwanderung plädiert. Wagenknecht hat Recht, wenn sie sagt, dass jedes Land objektive Grenzen bei der Zuwanderung hat. Das, was sich seit 2015 hierzulande abspielt, hat mit »linker« Politik nicht das Geringste zu tun. Asyl ist ein hohes Gut, aber es darf nicht missbraucht werden und es muss geregelt vollzogen werden. Wenn das aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist, dann sollte auf ein Asylrecht verzichtet werden.
        • Leserbrief von Franz Döring (4. Oktober 2024 um 12:24 Uhr)
          Wie unterscheiden sich Ihre Vorstellungen vom Asylrecht von den Vorstellungen der Partei die Linke und vor allem von den Vorstellungen der DKP zu diesem Thema? Die DKP hat völlig andere Ansichten zum Asylrecht als Sie!

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