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Aus: Ausgabe vom 04.10.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Ostasien

»Sie glauben nicht an Besserung«

Über die Rolle und das Ansehen von Politik in Japan. Ein Gespräch mit Kōichi Kakutani
Von Igor Kusar, Tokio
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Hat viel vor sich: Japans neuer konservativer Premierminister Ishiba Shigeru (1. v. r., Tokio, 1.10.2024)

Nun ist die Liberaldemokratische Partei, LDP, bereits wieder fast zwölf Jahre ununterbrochen an der Macht, nachdem sie zwischen 1955 und 2009 praktisch durchregiert hat. Andererseits geht es den Japanern im internationalen Vergleich wirtschaftlich immer schlechter. Warum ändert sich nichts in der japanischen Politik?

Das hat viele Gründe. Zum einen prägt ein konservativer Grundzug unsere Mentalität. Viele Japaner mögen keine drastischen Veränderungen. Sie haben sich an die LDP gewöhnt und befürchten, mit einer anderen Partei an der Spitze noch schlechter zu fahren. Zum anderen haben viele von uns den Glauben an Besserungen aufgegeben. Die Politik ist nicht Teil des Alltagsgesprächs, die Wahlbeteiligung ist niedrig. Außerdem gibt es in Japan kein Primat der Politik. Vielmehr ist sie in ein Netzwerk eingespannt zusammen mit der Wirtschaft, der Bürokratie und den USA. Entscheidende Veränderungen kann der Premierminister alleine nicht anstoßen, weshalb viele Japaner denken, es sei egal, wer oberster Politiker werde.

Dabei hatte auch Japan nach dem Zweiten Weltkrieg eine aktive Zivilgesellschaft, Bürgerproteste wurden auf die Straße hinausgetragen. Warum ist das bis heute so stark erlahmt?

Die Kriegsgeneration erlebte eine brutale Zeit. 1945, nach der Niederlage, hatte sie den Glauben in die Regierung verloren und war überzeugt, aktiv gegen zweifelhafte politische Entscheidungen vorgehen zu müssen. Das dauerte bis etwa 1970. Danach übernahm die Nachkriegsgeneration langsam das Zepter. Gleichzeitig endeten die Studentenproteste ohne bleibendes Ergebnis. Die Japaner begannen zu glauben, dass Kampf und Proteste nutzlos seien. Dieser Glaube hat bis heute in der Gesellschaft tiefe Wurzeln geschlagen.

Die Wahlerfolge der LDP in den letzten Jahren hängen sicher auch mit der teilweise desaströsen Regierungszeit der Demokratischen Partei, DPJ, von 2009 bis 2012 zusammen, der Vorvorgängerpartei der heute größten Oppositionspartei, der Konstitutionell-Demokratischen Partei, KDP. Die DPJ hatte die Tagesgeschäfte nicht im Griff und wurde durch Richtungskämpfe geschwächt. Ist aber auch das Wahlsystem schuld am Ausbleiben eines Machtwechsels?

Das japanische Wahlsystem wurde vor 30 Jahren geändert (heute dominiert das Mehrheitswahlsystem, jW). Dadurch sollte es zur Bildung zweier großer Parteien kommen, was einen regelmäßigen Machtwechsel ermöglicht hätte. Doch was wir heute haben, ist das gleiche wie vor der Änderung: eine große Partei, die LDP, und viele kleine Parteien. Doch es gibt Bestrebungen selbst in der LDP, das Wahlsystem erneut zu reformieren.

Kōichi Kakutani ist politischer Journalist und Publizist und in japanischen Medien häufig vertreten

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