Streit ums Streikrecht
Von Gudrun GieseVerdi Berlin-Brandenburg will sich den Streik der Kitaerzieherinnen nicht verbieten lassen. Die Gewerkschaft legt deshalb Berufung gegen das vom Arbeitsgericht im Eilverfahren verfügte Verbot des Arbeitskampfes ein.
Am vergangenen Montag hatte der Streik in den Kitaeigenbetrieben des Landes Berlin ursprünglich beginnen sollen, bei dem es um die Erzwingung von Tarifverhandlungen geht. Seit längerer Zeit wollen Verdi und ihre Mitglieder aus dem Bereich einen Tarifvertrag über eine Mindestpersonalausstattung in den Kitas, über Regelungen zur Entlastung sowie über Verbesserungen der Ausbildungsbedingungen aushandeln. 91,7 Prozent der Mitglieder hatten in einer Urabstimmung für den verschärften Arbeitskampf gestimmt. Das Land Berlin – vertreten durch die Senatsverwaltungen für Finanzen sowie für Bildung, Jugend und Familie – argumentierte, mit einem Alleingang bei Tarifverhandlungen würde man absehbar aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgeschlossen. Unter anderem diese Frage wollte die Landesregierung vom Arbeitsgericht Berlin im Eilverfahren geklärt haben. Das Ziel: den Streik untersagen.
Das Arbeitsgericht folgte der Argumentation des Senats, dass Berlin »als Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nach deren Satzung keine von den Regelungen des Tarifvertrags der Länder (TV-L) abweichenden Tarifverträge schließen dürfe«, wie es im Urteil vom 27. September (56 Ga 11777/24) heißt. Außerdem sei das Land davon ausgegangen, dass Verdi mit dem Streik für mehr Entlastung der Erzieherinnen gegen die Friedenspflicht während einer Phase geltender Tarifverträge verstoße, weil entsprechende Tarifregelungen existierten. Das Arbeitsgericht untersagte den Streik und gab der Gewerkschaft auf den Weg, den Aufruf öffentlich zu widerrufen, da »von einer fehlenden Rechtmäßigkeit des Streiks« auszugehen sei.
Verdi kündigte am Dienstag nach Prüfung der ausführlichen Urteilsbegründung des Arbeitsgerichtes an, schnellstmöglich Berufung gegen das Streikverbot beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einzulegen. Zwei Punkte aus der Begründung sieht die Gewerkschaft als kaum haltbar an: So habe das Arbeitsgericht auf die Gehaltsverbesserungen inklusive Zulage verwiesen, die in der letzten Entgelttarifrunde der Länder für die Sozial- und Erziehungsberufe erreicht wurden und die auch als Maßnahme zum Gesundheitsschutz bzw. zur Entlastung anzusehen seien. »Tatsächlich dienen die Gehaltsverbesserungen jedoch der finanziellen Aufwertung des Berufs«, heißt es in einer Mitteilung von Verdi Berlin-Brandenburg. Und: »Warum diese Zulage als Entlastungsmaßnahme zu werten ist, begründet das Gericht nicht.«
Die zweite angreifbare Argumentation in der Urteilsbegründung betreffe den Verweis auf eine Absprache in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, keine Entlastungstarifverträge abzuschließen, womit ein Streikverbot für dieses Ziel einhergehe. Verdi hält diesen Verweis für verfassungsrechtlich hochproblematisch. »Denn damit könnten Arbeitgeberverbände ausschließlich durch interne Absprachen die Wahrnehmung grundgesetzlich verbriefter Rechte durch die Gewerkschaften beschränken.« Nach Einschätzung Verdis stehe die Urteilsbegründung im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte vor mehr als zwanzig Jahren festgestellt, dass »der Arbeitgeber einem Streik die Legitimität nicht dadurch nehmen (kann), dass er sich Dritten gegenüber verpflichtet, einen Tarifvertrag nicht abzuschließen«. Darauf seien die Arbeitsrichter in Berlin in ihrer Begründung nicht eingegangen. »Wir werden das Urteil jetzt durch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg überprüfen lassen«, erklärte Andrea Kühnemann, die Verdi-Landesbezirksleiterin.
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