»Meister des Widerstandes«
Von Karin LeukefeldDie Entmenschlichung des Gegners ist Teil jeder Kriegspropaganda. Die Äußerungen von Medien und Politikern über den Tod von Hassan Nasrallah sagen nichts über den Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, aber viel über seine Gegner aus. Allen voran charakterisieren sie Israel und diejenigen, die es unterstützen.
Das israelische Onlinemedium Times of Israel veröffentlichte eine »Chronologie des Bösen«. Nasrallahs Tod beende »drei Jahrzehnte einer weltweiten Blutspur«. »Hisbollah-Chef«, »Terrorchef«, »Marionette und Spion des Irans«, Anführer einer »Proxymiliz« – in deutschen Medien wurde besonders viel Verachtung über den langjährigen Hisbollah-Generalsekretär und muslimischen Geistlichen ausgeschüttet. Im syrischen Idlib, das von Al-Qaida-Kräften kontrolliert wird, wurde auf den Straßen getanzt, Süßigkeiten wurden verteilt und Beifall geklatscht, als die Nachricht von seiner Ermordung eintraf.
Der 1960 geborene Hassan Nasrallah – von Freunden und Weggefährten »Meister des Widerstandes« genannt – war zeit seines Lebens Zeuge von Massakern, der Entmenschlichung seiner Landsleute und der Verwüstung des Libanons. Er widersetzte sich dem unmenschlichen Hegemonialstreben, in dem Israel es mit eiserner Unterstützung der USA zur Meisterschaft gebracht hat. Seine Solidarität galt immer den Palästinensern.
Hassan Nasrallah wuchs in Burdsch Hammud unweit des Hafens von Beirut auf. Sein Vater hatte ein Lebensmittelgeschäft, er selbst war das älteste von neun Kindern. Das Zuhause der Familie war in Karantina, einem Gebiet, das 1831 für Schiffsreisende, die in Beirut ankamen, als Quarantänestation eingerichtet worden war. 1915 wurden dort armenische Flüchtlinge angesiedelt, nach der gewaltsamen Gründung Israels 1948 vertriebene Palästinenser aufgenommen. Später kamen Libanesen aus dem Süden und arabische Stammesvertriebene hinzu, Kurden aus der Türkei und Syrer.
1975 begann der Libanesische Bürgerkrieg, der sich gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) richtete, die aus Jordanien vertrieben worden war und von Israel und dessen Verbündeten im Libanon bekämpft wurde. 1976 verübten die Phalangisten der »Libanesischen Kräfte« ein Massaker in Karantina. 1.500 Menschen wurden ermordet, und das Lager wurde in Brand gesetzt.
Nasrallah schloss sich der Amal-Bewegung an, einer schiitischen bewaffneten Gruppe. Er verbrachte einige Zeit im irakischen Nadschaf und im Iran, wo er auch von dem irakischen schiitischen Geistlichen Mohammad Bakir Al-Sadr unterrichtet wurde. Nach seiner Rückkehr trennte er sich von Amal und gründete 1982, bald nach dem Einmarsch Israels in den Libanon, mit anderen eine neue Organisation, die Islamische Amal-Bewegung. Nasrallah wurde Zeuge des Massakers an den Bewohnern der palästinensischen Lager Sabra und Schatila 1982, das unter Aufsicht der israelischen Armee und ihres Generals Ariel Scharon von den Phalangisten verübt wurde. Mitte der 1980er Jahre wurde aus der Islamischen Amal die Hisbollah, die an der Seite der stark von kommunistischen Studenten bestimmten libanesischen Nationalbewegung gegen die israelische Besatzung und ihre US-Helfer kämpfte. Die Organisation wurde von den iranischen Revolutionsgarden unterstützt.
1992 wurde Nasrallah Generalsekretär der Hisbollah, nachdem sein Vorgänger Abbas Al-Musawi von der israelischen Armee mit seiner Familie bei einem Hubschrauberangriff ermordet worden war. Nasrallah war 32 Jahre alt. Im Jahr 2000 gelang es der Hisbollah, die israelischen Truppen, die noch immer den Südlibanon besetzt hielten, zur Aufgabe zu zwingen. Hassan Nasrallah und die Hisbollah wurden dafür gefeiert, dass es ihnen erstmals gelungen war, Israel von besetztem arabischem Boden zu vertreiben.
Nasrallah gelang es mit seinen langjährigen Weggefährten, die Hisbollah als Massenorganisation mit militärischem und politischem Flügel auszubauen. Die Partei ist seit Jahren eine feste, zuverlässige Größe im libanesischen Parlament und wird religions- und gebietsübergreifend von Libanesen unterstützt. USA, NATO und EU haben die Hisbollah als »Terrororganisation« gelistet und doch hinter verschlossenen Türen immer den Kontakt zu ihr gesucht.
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