»Wir wollen keinerlei Ausbau dieser Autobahn«
Interview: Gitta DüperthalRund 5.000 Demonstranten radelten am vergangenen Sonntag auf der Autobahn, um gegen den geplanten zehnspurigen Ausbau der A 5 bei Frankfurt am Main zu demonstrieren. Es wäre die erste Autobahn, die in Deutschland in einer solchen Breite mitten in eine Stadt hineinführt. Was erwarten Sie für den Fall, dass dieser Plan des FDP-geführten Bundesverkehrsministeriums realisiert wird?
Wir gehen davon aus, dass ungefähr 100 Grundstücke entlang der Trasse durch den Ausbau direkt betroffen wären: Häuser, Gärten, Kleingartenvereine und zwei Sportplätze würden vernichtet. Und vor allem, was den Umweltschutz betrifft, wäre es katastrophal: Ein europäisches Vogelschutzgebiet wäre tangiert, ein Trinkwassergebiet im Schwanheimer Wald verunreinigt. Eine unzumutbare Zunahme von Lärm und Feinstaubabgasen gäbe es für Anwohnerinnen und Anwohner. All das benennt die Machbarkeitsstudie des Bundesverkehrsministeriums, zieht aber trotzdem den Schluss, es könne gebaut werden.
Lärmschutzwälle in der Höhe von 13 Metern müssten errichtet werden, damit der Lärm nicht unerträglich wird. Diese behindern allerdings die Kaltluftzufuhr nach Frankfurt hinein. Die Studie resümiert, dass es ohnehin eine Zunahme von Hitzekranken und -toten durch den Klimawandel geben wird. Da es keine rechtlichen Vorschriften gibt, die das untersagen, soll es bei den Bauplänen bleiben. Die Planung der Autobahn geht also wissentlich – und sogar öffentlich – über künftige Leichen hinweg.
Es gab Berichte, wonach Autobahnauffahrten von Protestierenden blockiert worden seien. Was hat es damit auf sich?
So ein Quatsch! Es wurde nicht blockiert. Weil die Polizei nicht genug Personal hat, um alle Einfahrten zum Schutz der Demonstration zu sichern, gab es Absprachen für diese Aufgabe mit der Demoleitung. Sogenannte Korkerinnen und Korker – wie Korken bei einem Flaschenhals – sichern die Demoroute. Am Sonntag führte das mitunter zu Hupkonzerten und Wutausbrüchen von Autofahrern.
Das »Bündnis Stopp A-5-Ausbau« hatte bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt, um die Raddemo durchzusetzen. Das Gericht betonte jedoch, eine Autobahn als Versammlungsort komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn dies für die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit unabdingbar sei. Was bedeutet das für zukünftige Proteste?
Wir sind diesmal auf der A 648 bei Frankfurt geradelt, auf der A 5 dürften wir es nicht – werden jedoch künftig weiterhin versuchen, genau dort zu demonstrieren. Dass dies angeblich die Sicherheit gefährde, ist absurd: In Bayern sperrte die Polizei Ende August die A 8, weil ein Familienvater bei einer Raststätte seinen Geldbeutel auf dem Autodach vergessen und dann auf der Autobahn verloren hatte. Es geht also. Wir wollen weiterhin auf der A 5 politisch Druck machen, um deren Ausbau zu verhindern.
Dient der Protest am Ende nur der Selbstvergewisserung der Autobahngegner?
Außer FDP und AfD will keine Partei den Ausbau, zumindest nicht komplett und undifferenziert. Im Frankfurter Westen ist selbst die CDU dagegen, auf Stadt- und Landesebene sieht es freilich anders aus. Die SPD war vor den Landtagswahlen in Hessen 2023 noch dagegen. Seit sie in Koalition mit der CDU die Landesregierung stellt, ist sie für den beschleunigten Ausbau: Was Einspruchsrechte der Bürgerinnen und Bürger dagegen einschränkt. Die Grünen sind gegen den zehnspurigen Ausbau, befürworten ihn aber teilweise achtspurig: Weil es in dem Fall zumindest im nördlichen Teil Frankfurts auch Lärmschutz geben werde. Diese Argumentation finden wir zynisch. Das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit verwehrt der Staat den Anwohnerinnen und Anwohnern dort schon seit Jahrzehnten. Das geht grundsätzlich gar nicht. Unser Bündnis will keinerlei Ausbau der A 5. Dazu führen wir kontinuierlich Gespräche mit der Fraktion der Grünen im Frankfurter Römer und der SPD. Konkret wirken wird unser Widerstand vermutlich erst, wenn unsere Bewegung noch breiter wird. Daran arbeiten wir.
Hans Christoph Stoodt ist aktiv in Bürgerinitiative »Es ist zu laut«
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 16.07.2022
Oberbürgermeister schlägt Haken
- 05.08.2017
Autoritäre »Liberale«
- 17.11.2012
Vom Anzeigenmarkt genommen
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Ein kongeniales Denkmal
vom 04.10.2024 -
Grüne bieten sich an
vom 04.10.2024 -
Streit ums Streikrecht
vom 04.10.2024 -
EuGH entscheidet über Stahlfusion
vom 04.10.2024