Digitalbereich weiter vorne
Von Gert HautschDie deutsche Volkswirtschaft wird 2024 schrumpfen, wie stark ist noch nicht sicher. Anders bei der Medien- und Unterhaltungsindustrie: Dort sollen die Umsätze um drei Prozent auf 110 Milliarden Euro steigen. Zu dieser Annahme kommt eine kürzlich veröffentlichte, jährliche Studie der Beratungsfirma PwC. Diese liefert die einzige halbwegs zusammenfassende Darstellung der deutschen Medienwirtschaft.
Die Studie richtet sich, der Branche des Unternehmens entsprechend, an den Bedürfnissen der Werbewirtschaft aus und gibt die Strukturen nur verzerrt wieder. Einige Bereiche (Rundfunkbeitrag, Kunden- und Mitgliedermedien) fehlen, dafür werden Geschäfte, die mit Massenmedien nichts zu tun haben, mitgezählt: Fachmessen, Livemusik, Außenwerbung, E-Sport, »virtuelle Realität«. Auch die Bereitstellung von Internetzugängen rechnet PwC zur Medien- und Unterhaltungswirtschaft.
Korrigiert man diese Verzerrungen, wurden 2023 mit Medien im engeren Sinn rund 76 Milliarden Euro umgesetzt, 2024 sollen es 78 Milliarden werden. Das Gewicht der Branche ergibt sich aber nicht aus ihrer wirtschaftlichen Größe, sondern aus ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Massenmedien gestalten den öffentlichen Diskurs, die Bildung von Einstellungen und Haltungen. Die wirtschaftlichen Trends, die sich bei ihnen zeigen, schlagen sich mit Verzögerung in den sozialen und politischen Prozessen nieder.
Interessant ist die Entwicklung der einzelnen Branchen. Internetreklame war 2023 mit 17 Milliarden Euro Umsatz der mit Abstand größte Sektor. Sie wuchs gegenüber dem Vorjahr um 11,8 Prozent, im laufenden Jahr sollen es 10,8 Prozent mehr werden. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Suchwortvermarktung; dieses Geld fließt fast komplett auf die Konten des Quasimonopolisten Google. Beim Rest der Onlinewerbung wird geschätzt, dass zwischen 70 und 80 Prozent ebenfalls an Google und an Facebook gehen. Die gesamten Werbeerlöse in allen Medienbereichen beliefen sich 2023 auf rund 30 Milliarden Euro, davon 12,8 Milliarden nicht-digital. Letztere sind um 7,1 Prozent gestiegen. Die nichtdigitalen Vertriebserlöse haben sogar nur um 2,3 Prozent zugenommen. Das Werbewachstum der Digitalkonzerne geht zu Lasten der anderen Branchen.
Leichten Zuwachs (2,7 Prozent 2023 und 1,8 Prozent im laufenden Jahr) gibt es beim sogenannten Bewegtbild. Auch hier lohnt sich der genauere Blick: Dynamisch entwickelt sich nur ein Sektor: Internetvideo. Dort werden – so die Prognose – zwischen 2022 und 2024 aus 3,4 Milliarden Euro Umsatz 4,6 Milliarden Euro werden, ein Zuwachs von 35 Prozent. Davon entfallen drei Viertel auf Streamingplattformen, bei denen US-Konzerne (darunter Netflix, Amazon, Paramount) den Markt beherrschen. Beim Privatfernsehen hingegen schrumpfen die Erlöse, und zwar beim Bezahlfernsehen (Umsatz 2023: 6,5 Milliarden Euro) genauso wie beim linearen Angebot (vier Milliarden). ARD und ZDF, die in der PwC-Statistik nicht auftauchen, haben ihre Beitragseinnahmen minimal gesteigert.
Ähnlich verläuft der Trend bei aufgenommener Musik. Auch dort wächst das Geschäft (um 6,7 Prozent), aber nur beim Audiostreaming. Damit werden 80 Prozent aller Umsätze erzielt, und hier bestimmen einmal mehr globale Plattformen (Spotify, Amazon, Apple) das Geschehen.
Die übrigen Medienbranchen (Kino, Radio/Podcast) sind 2023 leicht gewachsen. Publikumsbücher (Belletristik, Fachliteratur, Kinder- und Jugendbücher) sind mit einer »roten Null« davongekommen.
Negative Zahlen weist der »Outlook« – wenig verwunderlich – für die periodischen Printmedien aus. Mit Zeitungen, Publikums- und Fachzeitschriften werden rund 14 Prozent aller Erlöse im klassischen Mediengeschäft erzielt. Der Gesamtumsatz der Zeitungshäuser ist 2023 um 1,7 Prozent gesunken, 2024 sollen es 2,1 Prozent weniger werden. Die Zeitschriftenverlage stehen mit minus 3,2 bzw. 2,9 Prozent noch schlechter da. Die digitalen Erlöse der Verlage steigen zwar, sie machen aber nur 15 bzw. 19 Prozent der Einnahmen aus.
Die Trends wirken schon länger und werden sich fortsetzen. Die deutsche Medienwirtschaft wächst, aber nur dort, wo globale (meist US-amerikanische) Digitalkonzerne das Geschehen bestimmen. Sie sind in der Lage, einen wachsenden Teil der Erlöse und Profite auf ihre Konten umzulenken. Weil aber Medien nicht irgendein Geschäftsfeld sind, sondern ein politisch hochbrisantes, sollte diese Entwicklung mehr Beachtung finden, als das derzeit der Fall ist.
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