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02.10.2024, 13:42:05 / Ausland
US-Wahlkampf

Vance contra Walz

Die TV-Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten brachte wenig Neues. Kulturkampf allenthalben.
Von Felix Bartels
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Die zwei von der Zankstelle: Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance und sein Kontrahent Tim Walz von den Demokraten

Wahlen in den USA, das gilt seit langem, werden im Mittleren Westen gewonnen. In dessen Norden, genauer dem Rust Belt, wo eine desillusionierte Arbeiterklasse wahlweise unter Erwerbslosigkeit oder zu niedrigen Löhnen leidet. Die demokratischen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben diese Wählerschichten zum Teil verloren, trotz der im Vergleich zu den republikanischen Regierungen verhältnismäßig sozialeren Politik. Es geht um Gesehenwerden und Sichvorhandenfühlen, dem klassischen Bewohner des Mittleren Westens fehlt die Repräsentanz in D.C. Mr. Smith geht schon lange nicht mehr nach Washington.

Die republikanische Strategie der letzten Jahre bestand darin, sich diese Lage zunutze machen. Ohne eine Politik der Arbeiterklasse zu betreiben, versteht sich. Alles wird heute Kulturkampf. Entsprechend gilt auch für die Running Mates im laufenden Wahlkampf, Tim Walz und J. D. Vance, dass sie das Angebot an die kulturell und wirtschaftlich abgehängte Arbeiterklasse des Nordens eher verkörpern denn tatsächlich geben. Vance hat vor ein paar Jahren mit dem Bestseller »Hillbilly Elegy« dem Milieu den Bauch gepinselt, augenscheinlich soll er als Gegengewicht zum Milliardär Trump fungieren. Walz gibt sich geerdet und glanzlos, Footballcoach, Familienvater, dem zum infantilen Gepolter von Vance und Trump nicht mehr als »weird« einfällt. Er soll das Gegenwicht für Harris sein, die ihren urbanen, liberalen, chronisch queerverdächtigen Stallgeruch San Franciscos nicht loswird.

Inhaltlich haben Walz und Vance dem Programm ihrer Kadidaten wenig hinzuzusetzen. So hat denn auch die TV-Debatte der beiden Running Mates, übertragen Dienstag beim überregionalen Sender CBS, wenig gebracht, das nicht bereits in der Kollision von Harris und Trump durchdekliniert worden ist. Wie wenig es tatsächlich um die Probleme der arbeitenden Bevölkerung geht, wurde nicht zuletzt daran deutlich, wie schnell man durch das Thema Wirtschaft hetzte. Kaum mehr als ein Verweis auf Harris› »Politik der Möglichkeiten«, die Förderung junger Selbständiger und junger Familie, sprang bei Walz nicht heraus. Vance verwies auf die höhren Reallöhne in der Ära Trump, als sei es dessen Verdienst, vor der Inflationsphase regiert zu haben.

In der Migrationsfrage prallten, wie gehabt, zwei Erzählungen aufeinander. Vance warf der Regierung Biden vor, »die gesamte Grenzpolitik von Donald Trump rückgängig« gemacht zu haben, was natürlich so nicht stimmt. Im Gegensatz zur Administration Trump käme eine demokratische Regierung zwar nicht auf die Idee, Eltern und Kinder in Auffanglagern zu trennen, aber zuletzt gab es unter Biden deutliche Bemühungen, Grenzkontrollen zu intensivieren, es waren die Republikaner, die entsprechende Vorhaben im Kongress blockierten.

Erwartungsgemäß spielte das Thema Abtreibung eine Rolle. Walz gab sich »pro choice«, mit Blick auf Trump und Vance sagt er: »Diese Typen versuchen immer wieder, den Frauen etwas vorzuschreiben.« Auch das Thema Waffen brachte keine Überraschung. Walz erzählte irgendwas aus dem Leben seines Sohnes, der beim Volleyballspielen Zeuge einer Schießerei wurde. Vance rasselte den bekannten republikanischen Unsinn herunter, dass Schulen bewaffnet werden müssten, um die Zahl der Angriffe zu minimieren.

Interessanter war das schon, was Vance zum Klimawandel sagte. Offensichtlich wollte er die absolute Leugnung des Treibhauseffekt vermeiden, der sich Donald Trump befleißigt. Er sprach allerdings von einer »seltsamen Wissenschaft«, die sich da entwickelt habe. Trumps »Drill, baby, drill« stand im Raum, als Vance versprach, die Energieproduktion in allen Bereichen, auch den fossiler Stoffe, zu erhöhen.

In der Außenpolitik ging es hauptsächlich um den Nahen Osten. Walz forderte eine solide Führung, Trump sei wankelmütig. Das stimmt durchaus, erinnert man sich mehrfacher Änderungen von Leitlinien während der Amtszeit, mithin dessen, was Trumps Sicherheitsberater John Bolton über die Art der Entscheidungsfindungen zu berichten weiß. Bezogen auf den Nahen Osten scheint die Befürchtung der Demokraten allerdings eher darin zu liegen, dass Trump die längst im Krieg befindliche Region gänzlich zum Explodieren bringt.

Wie weit Vizeduelle Einfluss auf die Wahl haben, ist eine andere, eigentlich nicht beantwortbare Frage. Folgt man den aktuellen Umfragen, ginge der Wahlsieg an Harris. Die größte Masse der in Swing States zu habenden Wahlmännerstimmen entfällt auf Rust-Belt-Staaten. Von denen wiederum tendiert eine klare, aber nicht überwältigende Mehrheit gegenwärtig zu Harris, die in Pennsylvania, Illinois, Michigan, Minnesota und Wisconsin vorne liegt, während Trump Ohio und Indiana sicher hat. Landesweit würde Harris nach dem Stand der Umfragen 279 Stimmen auf sich bringen, Trump 259. Wahlnächte haben allerdings die Angewohnheit, anders als prognostiziert zu verlaufen.

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