Kein böses Wort
Im Mitteilungsblatt der Alfred-Klahr-Gesellschaft erinnert Michael Graber anlässlich des 100. Geburtstages an den ehemaligen KPÖ-Vorsitzenden Franz Muhri. Seine Amtszeit umfasse »zwei existenzielle Krisen in der Geschichte der KPÖ: die eine 1968, also in der ersten Phase seines Vorsitzes, die andere 1990 am Ende seiner Funktionsperiode«. Muhri, einst aktiv im Widerstand gegen das Naziregime, sei 1965 in einer »Atmosphäre schwelender Differenzen« als »Kompromisskandidat« Parteivorsitzender geworden. Für die politische Praxis kennzeichnend sei gewesen, dass »die engere Parteiführung ihre im Polbüro auftauchenden Differenzen nicht vor dem Zentralkomitee darlegte und diese deshalb auch nicht parteiöffentlich ausdiskutiert werden konnten«. So kamen »die scharfen Gegensätze des Jahres 1968« aus Anlass des Einmarsches sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei für viele überraschend. Damit sei ein enormer Vertrauensverlust verbunden gewesen, der sich 1990 im Zuge des Zusammenbruchs des Sozialismus in Mittel- und Osteuropa erneut ergeben habe. Muhri habe in diesen Auseinandersetzungen immer darauf orientiert, die »konfrontativen Fraktionen« in der Partei zusammenzuhalten. Graber schreibt, er »habe in all den Jahren kein einziges abwertendes oder böses Wort gegen irgendeinen Mitstreiter oder eine Mitstreiterin gehört«.
Georg Pichler setzt den biographischen Dreiteiler über Leopold Kulcsars »Leben im Widerspruch« fort. Karl Wimmler befasst sich kritisch und ausführlich mit Julia Lovells »gehypten Buch« über den Maoismus, das 2023 auch in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp herausgekommen ist. Wimmler schreibt, dass bereits das »Geschwätz« im Vorwort die »Sturheit« vom Leser erfordert, »überhaupt weiterzulesen«. (jW)
Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft, Jg. 31/Nr. 3, 24 Seiten, 1,50 Euro, Bezug: Alfred-Klahr-Gesellschaft, Drechslergasse 42, A-1140 Wien, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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