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Aus: Ausgabe vom 16.10.2024, Seite 6 / Ausland
Bolivien

Haftbefehl gegen Morales

Bolivien: Staatsanwaltschaft wärmt alte Vorwürfe auf. Anhänger des gestürzten Expräsidenten errichten Blockaden
Von Volker Hermsdorf
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Im September begann der »Marsch auf La Paz«, den Regierungssitz Boliviens (El Alto, 22.9.2024)

In Bolivien droht sich ein Konflikt zwischen Staatschef Luis Arce und dem im November 2019 von rechten Putschisten gestürzten ehemaligen Präsidenten Evo Morales zur Staatskrise auszuweiten. Beide Politiker gehören der mittlerweile gespaltenen linken Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) an und wollen bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr kandidieren. Während der zum radikalen MAS-Flügel gehörende Parteichef Morales der Regierung eine Mitschuld an der Wirtschaftskrise vorwirft, griff die Staatsanwaltschaft im Departement Tarija alte Vorwürfe der Putschisten aus dem Jahr 2020 wieder auf und beantragte einen Haftbefehl gegen ihn. Anhänger des Expräsidenten reagierten am Montag (Ortszeit) mit Straßenblockaden in mehreren Teilen des Landes. Sie werfen dem eher reformistischen Arce vor, den ehemaligen Gewerkschaftsführer mit einer »Lawfare-Kampagne« an einer erneuten Kandidatur hindern zu wollen.

Örtlichen Medien zufolge ging ein Polizeiaufgebot mit Tränengas gegen »Evistas« vor, die auf der Autobahn zwischen Cochabamba und Santa Cruz Barrikaden errichtet hatten. Mehrere Aktivisten wurden festgenommen. Eine später erfolgte Einladung der Präsidialministerin María Nela Prada zu einem »Dialog über ihre Forderungen und Bedingungen für die Aufhebung der Straßenblockade« wiesen Morales’ Anhänger zurück. »Wenn Sie einen Dialog wollen, dann ziehen Sie die Polizei von den Blockadepunkten ab; wenn Sie einen Dialog wollen, soll Luis Arce erklären, dass er Evo als Präsidentschaftskandidat akzeptiert und die Prozesse gegen ihn eingestellt werden«, forderte der Exekutivsekretär der Landarbeiter- und Kleinbauerngewerkschaft CSUTCB, Ponciano Santos, am Dienstag.

Die Staatsanwältin von Tarija, Sandra Gutiérrez, hatte am Freitag einen Haftbefehl gegen Morales angekündigt, weil er nicht zu einer Vernehmung wegen gegen ihn erhobener Vorwürfe »der Verführung Minderjähriger und des Menschenhandels« erschienen war. Die Anschuldigungen sind nicht neu. Im August 2020 hatte der Vizeminister des damaligen Putschistenregimes behauptet, dass ein junges Mädchen im Alter von 15 Jahren von Morales schwanger geworden sei und mit 16 ein Kind geboren habe. Die Justiz beschuldigte den gestürzten Präsidenten der sexuellen Gewalt gegen Minderjährige und des Menschenhandels.

Das vor den rechten Machthabern nach Argentinien geflohene angebliche Opfer, Noemí Meneses Chávez, widersprach dieser Darstellung allerdings. Sie habe Morales kennengelernt, als sie bereits volljährig war, versicherte die junge Frau. Trotzdem wird nun wieder gegen ihn ermittelt. »Seit die Staatsanwaltschaft ihn mit Haftbefehl bedroht, hat Morales Cochabamba nicht mehr verlassen, und seine Anhänger bewachen die Region Trópico, seine politische und gewerkschaftliche Hochburg und zugleich Sitz der Kokabauernverbände, die vom ehemaligen Präsidenten geleitet werden«, berichtete die spanische Agentur Efe. In einer offensichtlichen Anspielung auf Morales spitzte Arce den Konflikt am Montag weiter zu. Während der Auszahlung einer staatlichen Prämie, die jährlich an Schulkinder vergeben wird, erklärte er, dass »Kinder nicht angetastet werden dürfen«.

Der Vorsitzende der Regierungspartei MAS konterte auf X, dass Arce »einen juristischen und gewaltsamen Weg« beschreite, um den Prozess des fortschrittlichen Wandels in Bolivien zu beenden. Morales warf der Regierung vor, die Wirtschaftskrise zu ignorieren und Kritiker zu verfolgen, statt auf berechtigte Forderungen einzugehen. »Die Lebensmittelpreise steigen weiter, es gibt Familien, die nur einmal am Tag essen, Familien, die ihre Häuser aufgrund von Schulden verlieren, und die Regierung Arce widmet sich der gerichtlichen Verfolgung und Inhaftierung von nationalen Führern, anstatt sich um die Forderungen des Volkes zu kümmern«, zitierte das Portal ­Resumen Latinoamericano aus nach Wahlkampf klingenden Erklärungen, denen der Expräsident hinzufügte: »Was auch immer sie tun und sagen, wir werden die Wahlen im kommenden Jahr gewinnen.«

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