Terror mit Vorsatz
Von Yaro AllisatIn der Nacht zum Montag bombardierte Israel Zelte von Geflüchteten im Hof des Al-Aksa-Krankenhauses in Gaza. Mindestens vier Menschen wurden dabei getötet, sie verbrannten bei lebendigem Leib. Vier Tage vorher hatte eine unabhängige Kommission im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats festgestellt, dass Israel zwischen dem 7. Oktober 2023 und August 2024 vorsätzlich Attacken auf das Gesundheitswesen in Gaza und der Westbank verübt hat. Durch die gezielten Angriffe auf das Gesundheitssystem seien Bedingungen geschaffen worden, die das Leben von Generationen palästinensischer Kinder gefährden und möglicherweise zur Zerstörung des palästinensischen Volkes als Ganzes führen.
Die Vorwürfe wiegen um so schwerer, als Israel sich seit Anfang des Jahres vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermordes verantworten muss. Laut UNO hat Tel Aviv bisher keine der Auflagen des IGH zur Verhinderung eines Genozids umgesetzt. Die USA und Deutschland liefern indes trotz der zahlreichen Verstöße gegen das Völkerrecht und der Kriegsverbrechen weiterhin Waffen.
Der 25seitige Bericht benennt allein 1.043 Angriffe auf medizinische Einrichtungen im Gazastreifen sowie den besetzten Gebieten im Westjordanland und Ostjerusalem. Die Kommission untersuchte insbesondere die Angriffe auf vier Krankenhäuser und stellte fest, »dass die israelischen Einsatzkräfte die Einrichtungen jeweils auf ähnliche Weise angriffen, was darauf schließen lässt, dass es operative Pläne und Verfahren für Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen gibt«. Demnach hat die Armee vorsätzlich medizinisches Personal getötet, inhaftiert und gefoltert sowie Krankenwagen angegriffen. 540.000 Frauen und Mädchen sind zudem von der Zerstörung der reproduktiven Gesundheitsfürsorge betroffen. Auch medizinische Evakuierungen aus der Enklave, für die die Zustimmung Israels erforderlich ist, wurden eingeschränkt: Von rund 14.000 Anträgen wurden lediglich 6.000 genehmigt. 46 Prozent der Krebspatienten wurde die Flucht verweigert.
Zudem benennt der Bericht willkürliche Inhaftierungen auch von Minderjährigen und die Gewalt, der die Gefangenen ausgesetzt sind. »Von den israelischen Behörden freigelassene Kinder kehrten schwer traumatisiert und ohne Begleitung nach Gaza zurück, ohne die Möglichkeit, ihre Familien ausfindig zu machen.« Die institutionalisierte Misshandlung, ein langjähriges Merkmal der Besatzung, erfolge auf Anweisung des für das Gefängnissystem zuständigen Ministers Itamar Ben-Gvir.
Parallel zum Bericht der UN-Kommission veröffentlichte eine Gruppe US-amerikanischer Ärzte, die im Gazastreifen gearbeitet haben, am 9. Oktober einen Brief an Präsident Joseph Biden. Unter Federführung des Chirurgen für Trauma und Intensivmedizin Feroze Sidhwa heißt es dort im Hinblick auf die andauernde militärische Unterstützung Washingtons und auf geltende Verbote zu Waffenlieferungen »an Staaten und militärische Einheiten, die grobe Menschenrechtsverletzungen begehen«: »Es ist schwer vorstellbar, dass es schwerwiegendere Verstöße gegen diese Norm gibt, als dass regelmäßig kleinen Kindern in den Kopf geschossen wird, dass Neugeborene und ihre Mütter verhungern, weil die Nahrungsmittelhilfe blockiert, die Wasserinfrastruktur und das Gesundheitssystem zerstört sind.« Statt dies zu stoppen, seien jedoch »über 50.000 Tonnen militärischer Ausrüstung, Munition und Waffen seit Kriegsbeginn« an Israel geliefert worden.
Sidhwa befragte insgesamt 65 Beschäftigte des Gesundheitswesens, die als freiwillige Helfer ebenfalls vor Ort waren. 44 von ihnen »sahen mehrere Fälle von Kindern im Teenageralter, denen im Gazastreifen in den Kopf oder in die Brust geschossen worden war«. 63 beobachteten »schwere Unterernährung bei Patienten, palästinensischem medizinischem Personal und der allgemeinen Bevölkerung«. 52 berichteten von »durchgängigen psychischen Problemen bei kleinen Kindern«, 25 sahen, »wie gesund geborene Babys in die Krankenhäuser kamen und an Dehydrierung, Hunger oder Infektionen starben«, 53 behandelten »viele Kinder, die an leicht vermeidbaren Infektionen litten und von denen einige daran starben«. Nahezu alle gaben an, dass »selbst die grundlegendsten medizinischen Hilfsmittel wie Seife und Handschuhe« nicht verfügbar waren. Es gebe im Gazastreifen niemanden mehr, der unverletzt oder gesund sei.
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